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FRANZÖSISCH/160: Écoute, Décembre 2007 - Sprachmagazin für Frankreichliebhaber (SB)


Écoute, Décembre 2007


Das Sprachmagazin für Frankreichliebhaber



Wer Französisch lernt oder lernen muß und vielleicht dabei über den Tellerrand seines aktuellen Lehrmaterials hinaus auch eine Leidenschaft für Land und Leute entwickelt hat, dem sei hier mit dem Mittel der umfangreichen Schilderung lesenswerter Artikel der Mund noch einmal wässrig gemacht auf ein Magazin über Frankreich, das ganz nebenbei auch ein Sprachlernheft ist:

Die Dezember-Ausgabe überrascht all jene, die das Thema nicht in der Tagespresse verfolgt haben, mit einer kleinen Sensation:

"P(L)U(S)CELLE QU'ON CROIT!
Von einer Jungfrau, die nur jung und Frau war."

Jeanne d'Arc, pucelle (Jungfrau) d'Orléans, (geboren zwischen 1410 und 1412 in Domrémy an der Maas, hingerichtet am 31.5.1431 in Rouen) war nicht die, für die man sie bislang gehalten hat, behaupten Roger Senzig und Marcel Gay, die Autoren des Buches "L'affaire Jeanne d'Arc", das in der Edition Florent Massot erschienen ist. Nicht Jungfrau, sondern junge Frau, nicht einfaches und ungebildetes Bauernmädchen, das die Schafe hütete, sondern eine Gesandte vom Hofe sei die französische Nationalheldin gewesen. Sie habe auch keine überirdischen Stimmen gehört, die sie beauftragten, das von den Engländern besetzte Orléans zu befreien und Karl VII an die Macht zu bringen, sondern das ganze sei eine ausgeklügelte Unternehmung von Seiten des Hofes gewesen, der sie in einer geheimen Mission eingesetzt habe. In ihrem Auftreten allerdings überzeugte sie, und ihre Vision des göttlichen Beistandes soll die kämpfenden Soldaten so angefeuert haben, daß die Befreiung Orléans am 8. Mai 1429 gelang und Karl VII auf den Thron kam. Für den weiteren Kampf allerdings fehlte ihr die Unterstützung des Hofes; man setzte auf Verhandlungen, statt darauf, den Feind mit Waffengewalt aus dem Land zu treiben. Und so wurde - in der bisher bekannten Version - nichts zu ihrer Befreiung unternommen, als Jeanne d'Arc von den mit den Engländern verbündeten Burgundern gefangen und ausgeliefert wurde. In einem Schauprozeß, von dem die Protokolle erhalten sind, aus denen die heutigen Kenntnisse über ihr Leben stammen, wurde sie von den Engländern im Verein mit Bischof Pierre Cauchon von Beauvais in Rouen vorgeführt und abgeurteilt. Am 30. Mai 1431, so will es die Legende, starb sie als Hexe und Ketzerin auf dem Scheiterhaufen. 1456 allerdings hob man ihre Verurteilung von kirchlicher Seite auf, und 1909 wurde sie schließlich selig-, und 1920 heiliggesprochen.

Senzig und Gay hingegen zitieren Dokumente, nach denen Jeanne d'Arc nicht an jenem Tag starb, sondern an der Seite ihres Gemahls auf Schloß Jaulny noch viele glückliche Jahre verlebte. Für die These einer geheimen Gesandtentätigkeit spricht auch die Auffassung von Historikern, daß der Einfluß der angeblich von Gott geleiteten 'Jungfrau von Orléans' einer geistigen Elite am Hofe den Weg ebnete, die den Mythos einer unter dem König geeinten Nation propagierte und den Wiederaufstieg Frankreichs zur europäischen Führungsmacht vorantrieb.

Wer mehr über Jeanne d'Arc bzw. über den Prozeß, der ihr von der katholischen Kirche gemacht wurde, erfahren möchte, den interessiert vielleicht das folgende Hörspiel, das Mittwoch, den 28. November 2007 auf NDR Kultur ab 20.05 Uhr ausgestrahlt wird:

Das Hörspiel: Heilige und Propheten (III)
Der Prozess der Jeanne d'Arc zu Rouen 1431
Von Anna Seghers
Regie: Hans Lietzau
NDR 1959

Der Prozess der Jeanne d'Arc wurde 1431 in lateinischer Sprache täglich protokolliert. Das Hauptexemplar dieses Protokolls, hergestellt für den Bischof von Beauvais, befindet sich im Original in der Deputiertenkammer von Paris. Auf Grund dieses Protokolls, sowie der Gutachten und Berichte von Zeitgenossen, ist das folgende Hörspiel geschrieben (Anna Seghers).


(Quelle: NDR Radiotipps, Sendewoche 48)


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Le Musée Champollion
Les écritures du monde

Ein weiteres hochspannendes Thema in dieser Ausgabe ist die Entschlüsselung der Hieroglyphen bzw. ein Besuch im Geburtshaus von Jean-François Champollion (23.12.1790 - 4.3.1832), das zu einem Museum, welches heute durch die Geschichte der Schriften der Welt führt, umgebaut wurde. Die Reise durch das Museum in diesem Heft wird ergänzt durch einen kurzen biographischen Abriß.

Im Alter von 11 Jahren, als er zum ersten Mal den Stein von Rosetta in einer Abbildung erblickte, hatte Champollion sich vorgenommen, die ägyptische Schrift zu entschlüsseln. Und über 20 Jahre später, am 14. September 1822 ist es endlich soweit, er kann die Namen von Pharaonen entziffern! Nachdem er dies seinem Bruder freudestrahlend berichtet hat, fällt er allerdings vor Erschöpfung zunächst einmal in Ohnmacht und verbringt fünf Tage und Nächte im Nervenfieber.

Zu diesem Erfolg führte neben akribischer Forschung in den verschiedensten Schriftstücken zu allererst die Annahme, daß die drei Texte des Steins von Rosetta in hieroglyphischer, demotischer und griechischer Schrift den gleichen Inhalt hatten. Eine weitere Grundlage bildete die Überzeugung, daß es sich bei den in ovalen Rahmen befindlichen hieroglyphischen Zeichen um die Namen von Pharaonen handelte. Champollion ging davon aus, daß diese in der demotischen Schrift lautlich geschrieben waren und folgerte, daß auch zumindest die hieroglyphischen Zeichen für die Namen einzelnen Lauten entsprachen. Mit Hilfe eines Papyrus, auf dem der Name Kleopatras auf demotisch stand, gelang es ihm sogar, diesen ins Hieroglyphische zu bringen. Durch den Vergleich mit der Inschrift auf einem Obelisken, die gesichert den Namen Kleopatras beinhaltete, wurde er bestätigt. Natürlich war es von hier noch ein weiter Weg bis zur vollständigen Entschlüsselung dieser auf den ersten Blick als ideographisch erscheinenden Schrift:

Entre le début de ses travaux sur la pierre de Rosette et le jour où il s'exclame: "Je tiens l'affaire!", en 1822, il s'écoule près de quinze années. Quinze années passées à étudier des milliers de documents, de langues, d'idéogrammes, de lettres et de caractères phonétiques!

la pierre de Rosette - Stele in der Nilmündung mit drei verschiedenen Schriften
je tiens l'affaire - ich hab's
s'écouler - vergehen
(S. 58)


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Auch mit seinen weiteren Artikeln läßt dieses Magazin ganz sicher keine Langeweile aufkommen. Mit seiner Fülle an Themen und einer Gestaltung, die trotz ihrer, den modernen Seh- und Lesegewohnheiten geschuldeten Vielfältigkeit noch genug Möglichkeiten bietet, auch zu verweilen, ist es eine erfreuliche Bereicherung für Französischlernende. Écoute bringt vieles unter einen Hut: Es vermittelt nicht allein Fremdsprachenkenntnisse, sondern Einblicke in Kultur und Berufswelt, stellt aktuelle und soziale Fragen zur Diskussion und das in drei Schwierigkeitsgraden. Der Versuch, einen Leserkreis zu bedienen, dessen gemeinsamer Nenner im Zweifelsfalle allein die französische Sprache ist, gelingt auf eine Weise, die Interesse für mehr als nur die sprachlichen Aspekte zu wecken vermag.

Der Aufmacherartikel mit seinen prächtigen Photos dreht sich unter dem Titel "Paris magique" diesmal um das lichterstrahlende Quartier de l'Opéra in der Vorweihnachtszeit. Es folgen die Rubriken Leute (Les gens) und Kurznachrichten (En bref). Die Reportage befaßt sich unter dem Titel "Une porte ouverte pour les pauvres" diesmal mit einem von freiwilligen Helfern organisierten Treffpunkt für Obdachlose. Hier findet man Unterstützung, saubere Kleidung, kann duschen... Helfer und Obdachlose essen gemeinsam, was letztere zubereitet haben. Auch um die Instandhaltung der Räumlichkeiten kümmern sich die Betroffenen selbst. Die in dieser Initiative Vereinten legen Wert darauf, die sonst übliche Distanz zu verlieren und freundschaftlich ins Gespräch zu kommen. Dabei hält der Artikel nicht mit den realen Problemen hinterm Berg und liefert Stoff zum Nachdenken. Wie schwierig es letztlich sein wird, hier Grenzen zu überwinden, Anpassungsreflexe hinter sich zu lassen und vielleicht auch zu unerwarteten Schlußfolgerungen zu gelangen, mag kurz das folgende Zitat illustrieren:

Deux mondes si différents autour d'une même table, cela peut donner des situations explosives. A 63 ans, Barbara vit avec ses trois chiens dans un local insalubre et sans chauffage. Cette petite femme aux yeux marron et aux cheveux noirs reconnaît avoir eu "du mal au départ" en voyant Stéphanie arriver avec une veste en fourrure. "Je n'ai pas pu me retenir de lui dire q'un jour, elle aussi serait écorchée vive. Heureusement j'ai vite compris qu'elle ne m'en tenait pas rigueur quand j'ai vu qu'elle s'occupait très bien des affaires que j'avais mises à laver."

local insalubre
insalubre: heruntergekommen
du mal au départ
avoir du mal: sich schwertun
au départ: anfänglich
fourrure
la fourrure: der Pelz
serait écorchée vive
être écorché,e vif,ve: das Fell über die Ohren gezogen bekommen
ne m'en tenait pas rigueur
tenir rigueur à qn de qc: jm etwas übel nehmen
(S. 21)

Unter anderem finden sich noch ein Bericht über illegale Einwanderung nach Mayotte, einer kleinen Insel bei den Komoren, die Teil der DOM TOM (départements et territoires d'outre-mer) ist, der französischen Überseeprovinzen. Natürlich fehlt der auch umfangreiche Sprachteil nicht mit Verständnisfragen, Grammatik und Aussprache, Redewendungen und Umgangssprache, Übungen, Rätsel, Sprachkarten und dergleichen. In "Vivre ensemble" erzählt die 28jährige Alice Avom - entwurzelt/zuhause in drei Kulturen - aus ihrem Leben in Frankreich.

Der angekündigte Test elektronischer Wörterbücher läßt den Leser ein wenig unbefriedigt zurück. Die Übersichtstafel ist zwar systematisch, überläßt es aber letztlich dem Leser selbst, die Spezifikationen zu durchforsten und Schlüsse zu ziehen, zu denen man eigentlich erst kommen kann, wenn man das Gerät einmal in der Hand hatte und im Betrieb getestet hat. Die zusammengestellten Angaben, auch wenn es sich um 10 verschiedene Geräte handelt, sind nicht so schwer zu beschaffen, die Handhabung jedoch wäre wirklich von Interesse gewesen.

Die Rubrik "Littérature" befaßt sich in diesem Monat samt Leseprobe und Lesetips ausführlich mit der Krimi-Autorin Fred Vargas und macht Lust aufs Lesen.

Einem jeden Text ist eine ausführliche Vokabelliste zugeordnet, die Übersetzung jeweils auf den Kontext bezogen. Wer Freude daran hat, Begriffe auf ihr weiteres Bedeutungsspektrum abzuklopfen, sollte sich ein Wörterbuch danebenlegen.


Écoute en classe
mit Ideen und Konzepten für den Französischunterricht steht Lehrern zusätzlich zum monatlichen Magazin kostenlos zur Verfügung.

Écoute plus,
der Sprachtrainer für Französisch bietet weitere Übungen, Spiele, Redewendungen und Tests, die sich zum großen Teil auf die entsprechende Ausgabe des Magazins beziehen. Die Lösungen finden sich hinten im Heft - eine sinnvolle Hilfestellung zur weiteren Beschäftigung mit der sprachlichen Seite sowie vertiefendes Verständnistraining.

Écoute Audio
Zum Magazin erscheint darüber hinaus eine Audioversion auf CD, die sich auf die jeweilige Ausgabe bezieht.

Écoute erscheint monatlich (am letzten Mittwoch des Vormonats) und ist im Zeitschriftenhandel sowie beim Verlag direkt erhältlich. Die Einzelausgabe ist für 5,90 Euro erhältlich, das Jahresabonnement für 63,60 Euro, inclusive der Beilage Écoute plus sind es 99,60 Euro, pro Ausgabe kostet das Übungsheft 3,00 Euro.


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26. November 2007



Écoute - Das Sprachmagazin für Frankreichliebhaber
Dezember 2007
ISSN-Nummer: 0176-9596
Dr. Wolfgang Stock (Herausgeber und Verlagsleiter)
Karl Jetter (Chefredakteur)
Spotlight Verlag, München