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FRANZÖSISCH/018: Carnet - termes, tours de phrases, situations (SB)


Carnet Français


Introduction

Il a une araignée dans le plafond - Er hat eine Meise



Der falsche Gebrauch von Redewendungen ist mit dem "Lübke-Englisch" und seinem "You are on the Woodway" schon fast sprichwörtlich geworden. Natürlich passieren diese Mißgeschicke mit jeder Fremdsprache, so auch mit dem Französischen. In der Reihe "Carnet - termes, tours de phrases, situations" sollen in sporadischer Weise - als Feuilleton - ideomatische Wendungen, populärer und familiärer Sprachschatz und Ausdrücke aus dem Argot behandelt werden. Ohne eine Kenntnis dieser Begriffe und Wendungen versteht man den heutigen Franzosen vielfach schlecht. Der Ausländer lernt gewöhnlich das korrekte Französisch, das in eher förmlichen Situationen und in der Schriftsprache verwendet wird. Doch auch letztere neigt sich zunehmend einem familiäreren, mit Argot durchsetzten Ton zu. Als Fremder läuft man nicht nur Gefahr, gestelzt und förmlich zu wirken, wenn man sein Schulfranzösisch anwendet, man kann auch gehörig danebengreifen, wenn man es mit einem lockereren Sprachstil versucht, den man hier und da aufgeschnappt hat, der aber in die aktuelle Situation nicht paßt. Man läuft Gefahr, lächerlich oder schlicht vulgär zu wirken.

Viele in Frankreich sehr populäre Wendungen sollte man daher besser nicht, außer bei längerem Aufenthalt, wenn man ein besseres Gefühl für den Kontext entwickelt hat, anwenden. Wichtig ist zunächst, sich mit diesen Begriffen vertraut zu machen, um sie zu verstehen, und dann kann man sich vorsichtig an die Anwendung machen - möglichst in einem Zusammenhang, in dem gleich eine Korrekturmöglichkeit besteht (im fortgeschrittenen Unterricht, mit französischen Freunden oder im Land selbst). Man kann viel Heiterkeit oder auch völliges Unverständnis durch den unfreiwilligen Versuch auslösen, deutsche Sprechgewohnheiten zu übertragen - doch eigentlich sind das die Situationen, in man häufig am besten lernt. Also sollte dies niemanden daran hindern, sich um eine lebendigere Ausdrucksweise in Sprache und Schrift zu bemühen und so oft wie möglich die Franzosen selbst zu belauschen.

Carnet erklärt Redensarten, Wendungen und Begriffe auf einfache Weise im Zusammenhang und bemüht sich, sie ins richtige Licht zu rücken, Verständnis und Anwendung zu erleichtern. So richten sich diese Ausführungen in der Regel an den Fortgeschrittenen, was nicht heißt, daß nicht jeder seinen Spaß daran haben kann.

Carnet kann man entweder als unterhaltsame Rubrik lesen, die ein wenig die Neugier befriedigt, als Anregung, sich auf diesem Gebiet weiter schlau zu machen oder als Vokabelhilfe. Auf jeden Fall reicht allein das Lesen schon, um sich mit französischer Alltags- und figürlicher Sprache ein bißchen vertrauter zu machen. Nichts davon muß man auswendig lernen, sondern man kann sich unterhalten lassen, den Text überfliegen und bei Bedarf oder Lust später einmal darauf zurückkommen.

Die sogenannten familiären und populären Ausdrucksformen werden in der Schule oder im französischen Basisunterricht häufig als falsch angesehen. Wenn man also mit dem Lernen in irgendeiner Weise an eine Institution (sprich Noten, Prüfungen) gebunden ist, sollte man sich auch dort mit der Anwendung dieser Sprachformen zurückhalten. Zu empfehlen ist allerdings, sich um eine lebendigere Ausdrucksweise mit Hilfe nicht allzu umgangssprachlich-lässiger Wendungen zu bemühen.


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Viele Redewendungen, auf die man häufiger stößt, lassen sich aus der Situation erschließen oder auch im Wörterbuch finden. Ein Beispiel für eine familiäre Wendung:

J'ai toujours su qu'il a une araignée dans le plafond.

Nun, eine Spinne an (in) der Zimmerdecke hängen zu haben ist nichts Besonderes, aber das unbestimmte Gefühl, daß diese Übersetzung nicht unbedingt richtig ist, hat man doch.

Ein Blick ins Wörterbuch zeigt: Plafond, das eigentlich Zimmerdecke heißt, wird in diesem Fall im Sinne von Oberstübchen, Kopf, Schädel verwendet.

Also: Ich wußte schon immer, daß er nicht ganz richtig im Kopf ist.

Na, und die Spinne bleibt in diesem Fall unübersetzt bzw. kennzeichnet, daß da etwas ist, was da nichts zu suchen hat.

Weitere deutsche Entsprechungen:
Eine Meise (unterm Pony) haben
Einen Vogel haben
Eine Schraube oder einen Dachziegel locker haben
Nicht alle Tassen im Schrank haben
usw.

Im Unterricht anwenden könnte man diese Wendung zum Beispiel in einem Dialog, der unter Freunden geführt wird - wie auch die deutschen Entsprechungen zeigen.


Erstveröffentlichung am 16. August 1995


21. Februar 2007