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ENGLISCH/776: Down under (1) Australian Language is "Strine" (SB)


A  B A R B I E  I N  T H E  A R V O ?


Über die australische Vorliebe für Abkürzungen



Down under - Bushy English emanzipiert sich

Während wir noch gegen die Winterkälte anheizen, herrscht in "Down under", wie Australien seit eh und je von den Engländern genannt wird, Altweibersommer.

Dieser etwas herablassende Spitzname "down under", den man am treffendsten vielleicht mit "ganz da unten" übersetzen könnte, hat sich allmählich überlebt. Man kann Australien nicht mehr so ohne weiteres ignorieren. Sowohl die Briten als auch andere englischsprachige Nationen werden sich seiner eigenständigen Kultur und Sprache immer mehr bewußt.

Der Begriff "down under" kommt im australischen Englisch nicht einmal vor. Und allmählich weiß man auch in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, daß "Oz", kein Zauberer der Aboriginees, sondern die von den Australiern bevorzugte liebevolle Abkürzung für diesen Kontinent ist. Von den ursprünglich neun Buchstaben hat man mit australischer Gründlichkeit gerade einmal zwei übrig gelassen. Das verbliebene "Oz" bürgert sich allmählich auch im britischen und amerikanischen Englisch ein und erscheint neben "Down under" zunehmend in der Werbung für Reisen, die nebenbei die Schönheiten und Vorzüge des Landes Pauschalreisenden, Touristen oder Sprachstudenten schmackhaft machen wollen.

Oz ist sozusagen das beste Beispiel für die hier so beliebten australischen Kurzformen bzw. Diminutive. Streng nach dem Motto 'in der Kürze liegt die Würze' schneiden Australier den Worten hinten oder von vorn alles ab, was ihnen nur schwer über die Zunge kommt, ganz gleich wie kurz das ursprüngliche Wort sein mag, und schrecken dabei vor kaum einer Verstümmelung zurück:

Evo für Evening (Abend),
Chrissie für Christmas (Weihnachten),
Breakie für breakfast (Frühstück),
Barbie für barbecue (Grillfest),
Mozzie für mosquito (Moskito/Stechmücke),
Milko für milkman (Milchlieferant),
Cardie für cardigan (Strickjacke),
Garbo für garbage man (Müllmann),
Good possie für advantageous position (günstige Stellung),
Footy für Australian rules football or rugby league football (Fußballregeln)
Hubbie für husband (Ehemann),
Lippie für lipstick (Lippenstift), ... usw.


Auch das von "Australia" abgeleitete Adjektiv "australian" wird oft abgekürzt und zwar zu "aussie" (mit stimmhaftem 'S'). Die australische "Apple-Isle" Tasmanien, ein Stück unberührte australische Wildnis, wird mit Vorliebe "Tassie" genannt und auch vor anderen Ortsbezeichnungen wie "Brissie" für Brisbane oder ihrer eigenen Sprache "Strine" (kontrahiert aus Australian) machen die australischen "Bruces" und "Sheilas" (s.u.) nicht halt.

Andere, noch relativ bekannte Beispiele typischer "aussie words", die oberflächlich ein wenig an den Londoner Cockney Accent erinnern, sind so mundfaule Kontraktionen wie:

"G'Day" statt "Good Day" - ein im übrigen nicht mehr an die Tageszeit gebundener Gruß wie etwa das norddeutsche "Moin"

Oi! statt Hey!

Oder "Ha ye goin'?", im standardenglischen "How are you?", als bevorzugte australische Variante von "Wie geht's?"

Überhaupt hat man den Eindruck - und das macht die Sprache ungemein sympathisch -, daß der klangvolle und geradezu lustvoll vorgetragene, blumige Slang vor allem dadurch zustande kommt, daß sich die Australier einen Riesenspaß aus der englischen Sprache machen. Sie spielen und basteln mit den Worten, Verdrehungen, Reimen und Klängen und haben auch ein deutliches Faible für den Londoner Cockney Rhyming Slang. Wirklich gutes Standardenglisch gilt als langweilig und wird kaum gesprochen.

Ein Beispiel ist der Begriff "butcher's" für "schauen, gucken". Wie bei der alten Londoner Ganovensprache, Cockney Rhyming slang, wird ein Reim auf "to look" gebildet, hier: "butcher's hook" (Fleischerhaken) und dann sofort wieder abgekürzt, zu "butcher's".

Genau das gleiche, nur unabgekürzt, ist mit dem Begriff

"Captain Cook" für "to have a look".

passiert. Nebenbei bemerkt hat Captain Cook bekanntlich einen Haken statt einer Hand, so daß gewissermaßen wieder eine Beziehung zum "butcher's"-Haken besteht. Und das ist dann wieder so etwas, über das sich die Australier ausschütten können...

Manche Abkürzungen dienen wohl auch tatsächlich der schnelleren Verständigung, andere Besonderheiten der eigenen Sprache werden aber nur deshalb von den Ozzies so geschätzt, weil sich selbst britische und amerikanische Muttersprachler keinen Reim darauf machen können und jeder Nicht-Aussie sprachlos vor einem Geheimcode steht, den nur Einheimische beherrschen. Doch was soll man auch mit so skurrilen und im wahrsten Sinne des Wortes obskuren Äußerungen anfangen wie den folgenden, vor allem, wenn auch die noch teilweise verschluckt bzw. mehr durch die Nase als durch den Mund herausgepreßt werden. Hand aufs Herz, wer denkt denn noch bei diesen Ausdrücken an Englisch?

Afferbeck Lauder (alphabetical order)

Yagunna avashowah?
(Are you going to have a shower?)

oder

Wyne chevva cold share? (Why don't you have a cold shower?)

Eggnisher (Air-Conditioner)

Ay, mate, gotta ciggy?

Ay, mate, gotta dart?
(Hey, Kumpel haste mal 'ne Kippe?)

oder

Owyergoinmateorright?
(How are you going, mate? All right?)

Dabei muß man wissen, daß "mate" (manchmal auch "myte" ausgesprochen) die Ansprache für einen gleichgeschlechtlichen guten Freund ist. D.h. auch Frauen können diesen Begriff füreinander verwenden. Darüber hinaus nutzt man ihn, um wirklich jeden damit zu bezeichnen, über den man gerade spricht, aber auch zum direkten Addressieren selbst einer vollkommen fremden Person. Die Vokabel existiert auch im Standardenglisch, wird dort jedoch deutlich seltener gebraucht.

Viele Begriffe stammen aus dem Britischen oder Amerikanischen, werden hier aber ganz anders verwendet. Während Bastard in den Ursprungsländern des Englischen ein häßliches Schimpfwort bzw. eine Beleidigung darstellt, wird mit dem australischen "Bastard" - gesprochen mit langem, ersten "a" - beinahe alles je nach Verwendung, Betonung und den beteiligten Personen adressiert. Es kann die größte Hochachtung ('what a good bastard') oder auch die gröbste Verletzung ('you, rotten bastard') ausdrücken, sowie alles weitere, was angefangen mit dem Kosewort über "Schlingel" bis zum "Schweinehund" noch auf der Bedeutungskala dazwischen steht.

Doch viele Worte oder Laute sind auch reines Australisch und im Wortschatz anderer englischsprachiger Länder nicht einmal bruchstück- oder häppchenweise wiederzufinden:

Wer kann sich schon etwas unter einem "joey" vorstellen? Wer weiß, was "the dunny" bedeuten soll oder was der Australier meint, wenn er bewundernd sagt:

"Watch that sheila! What a pair of legs!"

oder bedauernd

"That stupid bruce hit a roo with the car on our way
to Brissie."

Joey ist weder ein junger Wellensittich, obwohl dieser Name für Wellensittiche im englischsprachigen Raum sehr beliebt ist, noch der Name für kleine Jungs, die Joe heißen, sondern der Gattungsname "joey" bezeichnet in Australien das Känguruhbaby.

Wellensittiche stammen ebenfalls aus der natürlichen Fauna Australiens. Der dort gebräuchliche Name "budgy" ist die Abkürzung für "budgerigar". Der Name wurde lautmalerisch dem gemütlichen Geblubber des kleinen Papageienartigen abgelauscht. Wen wunderts, daß einer der häufigsten Kosenamen im deutschen Sprachraum für diesen liebenswerten Hausgenossen "Butscher", "Butschi" oder "Butje" lautet.

"Dunny" stammt möglicherweise von dem gleichlautenden Wort für Dünger ab und bezeichnet einfach das "stille Örtchen". Ein äußerst hilfreiches Wort für alle Australienreisende, die mit ihrer verzweifelten Frage nach "the toilet" nur auf Unverständnis stoßen. "Were ist the dunny?" lautet demnach das Zauberwort.

"Sheila", eigentlich ein Frauenname, muß zu einer Zeit in Australien so beliebt gewesen sein, daß er zu einer Art Überbegriff für Mädchen und junge Frauen wurde. Das männliche Pendant dazu ist "bruce". Und das "roo", das dieser im obigen Beispiel mit seinem Wagen angefahren hat, ist wieder einmal eine besonders drastische Kurzform für das englische "kangaroo".

Ein typisches Beispiel ist auch die Kurzform "arvo" für afternoon. Die Überschrift "A barbie in the arvo" würde also in normales Englisch übersetzt heißen: A barbecue in the afternoon, und damit sind wir bereits bei einem typisch australischen Freizeitvergnügen, einer manchmal absurd wirkenden Modeerscheinung, dem unentwegten Grillen im Freien zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Selbst in brütender Sommerhitze und bei UV-Werten, die den Aufenthalt im Freien zum Hautkrebsfaktor werden lassen, gibt es kaum einen Australier, der sein geliebtes Barbie kalt werden lassen würde, solange nur ausreichend eisgekühltes Bier in der Thermobox ist.

Wem's beim Grillen zu heiß wird, der fragt: "Pass me a tinny, will you?" Statt "Flaschbier" bevorzugt der Australier sein Bier in Dosen und "tinny" ist schlicht ein anderes Wort für "can of beer" (eine Bierdose). "Tinny" ist der Verkleinerungsform für "tin" (Dose bzw. Zinndose, tin = Zinn) abgeleitet, dem anderen Wort für das derzeit im amerikanischen Sprachraum bevorzugte "can". Und an diesem kleinen Wort kann man sehen, daß selbst eingefleischte Abküfans in Fällen besonderer Zuwendung nicht immer auf der kürzesten Form bestehen.

Eine weitere Abweichung von der allgemeingültigen Regel, alles zu kürzen, was über zwei Silben geht, ist die Tatsache, daß Australier selten ein schlichtes "Richtig", "Ja" oder "Nein" herausbringen. Statt dessen schleichen sie mit doppelten Verneinungen bzw. Verneinungen des Gegenteils wie "you're not wrong" (= you ar right) um den heißen Brei herum.

Nebenbei bemerkt handelt es sich bei dem in den Staaten vielzitierten Werbeslogan "put a shrimp on the barbie" offenbar um ein falsches Zitat des australischen Schauspielers Paul Hogan, der diesen Spruch angeblich berühmt gemacht haben soll. Tatsächlich würden Australier nie das Wort "shrimp" in den Mund nehmen, geschweige denn ein so bezeichnetes Krustentier auf den Grill legen. Man spricht und ißt hierzulande "prawns" und Australier werden das jedem Touristen, der sich mit der vermeintlich authentischen Redensart einschmeicheln will, mehr oder weniger unverblühmt verständlich machen.

Der Neuaustralier, der den Grill schürt und das Steak wendet, hat schon lange nichts mehr mit dem romantischen Image und der sprichwörtlichen Unverwüstlichkeit des australischen Tramps gemein, der beispielsweise noch in "Waltzing Matilda" besungen wird.

Die "Matilda" in dem Song ist beileibe keine Dame, auch keine andere Frauensperson, mit welcher der fahrende Gesell die gigantischen Strecken im Walzertakt bewältigt. In der blumigen Sprache des Obdach- und Besitzlosen, der von Gehöft zu Gehöft zieht, um sich Essen und Unterkunft zu erbetteln oder zu erarbeiten, wird nur die Bettrolle (the swag), in der er seine ganzen Habseligkeiten unterbringt, besungen, die seine einzige, ständige Begleiterin auf der Wanderschaft darstellt - oh, Matilda.

Moderne Australier sind sehr darum bemüht, nicht mehr den Vorstellungen vom rauhen Siedlerleben in den Outbacks zu entsprechen ("it's much too bushy" gilt als Schimpfwort). Statt dessen umgibt sich der moderne Australier mit kosmopolitischem Flair ("Australians are city-people these days").

In australischer Lyrik und Prosa trifft man jedoch hin und wieder noch auf die bunte und romantische Seite der alten Aussies und im Ethno Boom der 90er Jahre gibt es auch in "down under" eine Rückbesinnung auf alte uraustralische Wurzeln. Aboriginees sind ebenso in Mode wie die vielen typisch-australischen Begriffe, die von ihnen übernommen wurden, wie das "Dijeridu", der "kookaburra" oder das "wallaby".

Viele ursprünglich rein australischen Begriffe sind inzwischen in der ganzen Welt bekannt, so z.B. der oben erwähnte budgerigar oder auch der "boomerang". Aber auch anderssprachige Einflüsse lassen sich heute noch aus dem Australischen ablesen.

Hierüber bzw. über die Umstände und geschichtlichen Ereignisse, die zur Entwicklung der australischen Sprache beigetragen haben, erfahren Sie in der nächsten Folge.

Give it a burl! (Have a try!)

Erstveröffentlichung 1998
Neue, aktualisierte Fassung


10. April 2008