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BERICHT/023: "Die Untoten" - Prothetik im Dienste der herrschenden Ordnung (SB)



Prothesentechnik - der direkte Verwertungszugriff auf den Menschen

Den menschlichen Körper ausbauen? Julia Peiffer referiert über 'Sonntagshände und Superkrüppel' - Foto: © 2011 by Schattenblick

Den menschlichen Körper ausbauen? Julia Peiffer referiert über 'Sonntagshände und Superkrüppel'
Foto: © 2011 by Schattenblick

Der industriell-technologische "Fortschritt" zu Beginn des 20. Jahrhunderts ermöglichte einen Quantensprung auch in der direkten Technik des Tötens von Menschen, sprich der Kriegstechnologie. In dem Krieg, der vom damaligen deutschen Kaiserreich 1914 begonnen und später als "Erster Weltkrieg" klassifiziert wurde, konnte das Töten durch Explosivwaffen und Giftgaseinsätze gegenüber früheren Technologien weitaus effizienter organisiert werden. Kriegstote in zuvor nie erreichter Zahl blieben auf dem Schlachtfeld Europa zurück, aber auch die Anzahl all derjenigen Soldaten, die die Schützengräben schwerverwundet und verstümmelt überlebten und als Kriegsversehrte das Bild der Nachkriegswelt prägten, war so groß wie nie zuvor. Allein an der Westfront standen zur Jahreswende 1915/16 2,4 Millionen deutsche Soldaten 3,5 Millionen französischen, englischen und belgischen gegenüber. Der Schlacht um Verdun, die in die Geschichtsbücher bezeichnenderweise als "Materialschlacht" eingehen sollte, fielen hunderttausende Menschen zum Opfer; auf deutscher Seite wurden 337.000 Tote, Verwundete, Vermißte und Gefangene gezählt, auf französischer 362.000 [1].

Diese Anmerkungen mögen als Einstieg in ein Thema genügen, dem die Kulturwissenschaftlerin Julia Peiffer auf dem Kongreß "Die Untoten" den Vortrag "Sonntagshände und Superkrüppel. Zur Ausbaufähigkeit der humanen Physis" widmete. Peiffer war bis 2009 Kustos der Anatomischen Sammlung der medizinischen Fakultät Jena. Sie realisierte bereits mehrere Ausstellungen zum Thema Prothetik und arbeitet aktuell am Science Center Berlin an der Designerentwicklung mikroprozessorgesteuerter Prothesensysteme - Prothesen und Prothetik sind also "ihr Thema". Wie sie selbst zu Beginn ihres Vortrags sagte, gilt ihr berufliches Interesse primär der Frage, wie Prothesen ausgestellt und inszeniert werden und wurden. Ihren historischen Forschungsschwerpunkt hat die Referentin auf zwei miteinander engverbundene Zeitpunkte gelegt, nämlich den Ersten Weltkrieg und die Zeit danach. Angesichts der extrem hohen Zahl kriegsverstümmelter Menschen, die dem damaligen deutschen Reich nicht nur aufgrund ihrer Invalidität und damit Unproduktivität zur Last fielen, sondern zudem als lebende Mahnmale gegen den Krieg als ordnungspolitisches Problem definiert wurden, ist es nicht verwunderlich, daß die Prothetik in dieser Zeit, wie Peiffer es formulierte, "einen enormen Innovationsschub erfahren hat".

Die Referentin zog eine Verbindung zwischen den "verstümmelten Körpern der Kriegsheimkehrer" und der "Verstümmelung der Nation", die sich nur allzugut an den Versehrten ablesen ließe. Sie stellte die letzten Kriegsjahre sowie die Zeit danach so dar, daß man annehmen könnte, die Kriegsversehrten hätten in dieser Situation tatsächlich eine dominierende Rolle gespielt. Dabei waren diese Jahre in erster Linie gekennzeichnet von politischen Unruhen und Kämpfen, die in der Novemberrevolution von 1918, dem Entstehen zahlreicher Arbeiter- und Soldatenräte ihren Anfang genommen hatten, und Aufständen, die mit der Ausrufung der Republik durch den SPD-Politiker Philipp Scheidemann am 9. November 1918, zahlreichen Vereinnahmungsmaßnahmen seitens der Sozialdemokratie sowie einer von ihr befehligten gewaltsamen Gegenrevolution schließlich zerschlagen werden konnten. Ungeachtet der zahlreichen, von verschiedenen Organisationen oder auch direkt von den aufbegehrenden Matrosen und Arbeitern durchgeführten Streiks, Demonstrationen, Protest- und Aufstandsaktionen richtete die Referentin den Schwerpunkt ihrer Darstellung auf Massendemonstrationen, die von Veteranenverbänden mit dem Ziel, eine symbolische wie finanzielle Anerkennung ihrer Verdienste zu erreichen, durchgeführt worden waren. Dabei seien die am stärksten versehrten Kriegsheimkehrer in die vordersten Reihen gestellt, ihre Körper quasi zur politischen Waffe gemacht worden, so Peiffer.

Daraufhin seien erhebliche Investitionen in die Prothesenentwicklung getätigt worden, um mittels der entstehenden Prothetik die Rückkehrer wieder in den Produktionsprozeß zu integrieren, also ihre Arbeitsfähigkeit und damit Ausbeutbarkeit wiederherzustellen. Der Verlust einer oder gar mehrerer Gliedmaßen führte keineswegs dazu, den Betroffenen die bestmögliche Versorgung und finanzielle Absicherung zu gewähren, sondern wurde mit erheblichen Anstrengungen beantwortet, um mittels der Prothesentechnik ihre verbliebene Arbeitskraft der gesellschaftlichen Verwertung zuführen zu können. Ein weiterer, nicht minder wichtiger Aspekt dieser Anstrengungen im Bereich von Forschung und technologischer Entwicklung betraf die Tatsache, daß sich die unübersehbaren Folgen eines solchen Vernichtungskrieges im öffentlichen Leben weitaus besser kaschieren ließen, wenn durch Prothesen der Anschein eines "normalen" gesellschaftlichen Lebens suggeriert werden konnte.

Diese beiden Aspekte der frühen Prothetik machte die Referentin in ihrem Vortrag sehr wohl deutlich. Der in ihrem Titel aufgegriffene Begriff "Sonntagshände" stammte aus diesem Kontext, wurden so doch kosmetische Prothesen, nahezu naturalistische mechanische Nachbildungen von Gliedmaßen wie beispielsweise der Carnesarm genannt, mit denen, so Peiffer, "das soziale Passing der Kriegsversehrten" gewährleistet werden sollte. Der Begriff Passing ist offensichtlich dem aus der Technik stammenden Terminus "Passung" entlehnt, mit dem die Beziehung zwischen zusammengefügten Maschinenteilen gemeint ist. Eine solche Übertragung ist eine deutliche Metapher für das dahinter zu vermutende Verständnis einer Gesellschaftlichkeit, deren einzelne Individuen wie die Nahtteile einer komplexen Maschine aufeinander eingestimmt werden müssen und die insofern nicht die geringste Abweichung toleriert.

Die Referentin während des Vortrags - Prothesen mit vielfachem Nutzen für die Gesellschaft - Foto: © 2011 by Schattenblick

Prothesen mit vielfachem Nutzen für die Gesellschaft
Foto: © 2011 by Schattenblick

Peiffer sprach im weiteren Verlauf unter Bezugnahme auf die Maxime der damaligen Ingenieurs- und Arbeitswissenschaft auch von der "funktionalen Passung von Mensch und Maschine" (Kinetik), die in der Entwicklung muskelkrafterhaltender Amputationstechniken ihre Fortentwicklung gefunden hatte. Bereits in den Jahren nach dem italienischen Krieg gegen das Kaiserreich Abessinien (1895/1896) war unter maßgeblicher Beteiligung des deutschen Chirurgen Ferdinand Sauerbruch die sogenannte "kineplastische Amputation und Prothetik" entwickelt worden mit dem Ziel, den (arbeitsunfähigen) Kriegsversehrten wieder zu einer willkürlich bewegbaren Hand (und damit ihrer Arbeitsfähigkeit) zu verhelfen. Selbstverständlich trat dabei das Problem der Schnittstellenverbindung auf, sollten doch Maschinenteile (Prothesen) mit dem menschlichen Körper funktional verbunden werden. In Hinsicht auf die Geschichte der Verfügungsgewalt des Menschen über den Menschen stellte dies einen großen Sprung dar. Der maschinelle Appendix wurde als Hilfsmittel propagiert und angesehen; tatsächlich wurde auf diesem Wege der maschinelle Zugriff auf den Menschen, der ohnehin seine Substanz (Arbeitskraft) zu veräußern sich gezwungen sieht, noch unmittelbarer vollzogen.

In der Erforschung und Entwicklung dieser frühen Prothetik hatte sich auch, wie die Referentin darlegte, der Maschinenbauingenieur und Arbeitswissenschaftler Georg Schlesinger einen Namen gemacht, arbeitete er doch an einer Normierung der Schnittstellen, um eine "exakte und reibungslose Verschaltung von humaner und mechanischer Maschine" zu erreichen. Daß Peiffer hier auch von einer "humanen Maschine" im Zusammenhang mit dem Menschen spricht, ist ein markantes Beispiel für die bereits in jenen Jahren sich Bahn brechende Position, den Menschen zum Appendix einer industrie-technologischen Maschinenwelt zu machen, der er bis in seine Körperlichkeit hinein unterworfen wurde.

Die Referentin führte desweiteren aus, daß die Prothesenforschung zwischen 1915 und 1919 ein besonders gut alimentiertes und innovationsträchtiges Gebiet war, auf dem Ärzte und Ingenieure Hand in Hand arbeiteten und es zudem als ihre "patriotische Pflicht" ansahen, die Öffentlichkeit über ihre Fortschritte zu informieren. Zu diesem Zweck wurden in Zusammenarbeit mit Kriegsversehrtenverbänden in allen großen deutschen Städten Wanderausstellungen organisiert, um mit der, wie Peiffer es nannte, "Erfolgsgeschichte der Wiederherstellung des Soldatenkörpers" ein "positives Image technischer Innovation" zu vermitteln. Bei diesen propagandistischen Kampagnen wurden "Vorzeige-Invaliden", die mit ihren Chirurgen und Ingenieuren auf Tour gingen und deren Prothesen bewarben, nicht nur als lebende Denkmäler für den technologischen Fortschritt ins Licht der Öffentlichkeit gestellt, sondern als besondere Persönlichkeiten mit einem stählernen Willen oder dergleichen angepriesen. Peiffer bemerkte dazu, daß der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Victor Klemperer dies 1917 anläßlich einer patriotischen Ausstellung in Leipzig als besonders widerwärtig bezeichnet hatte.

Die Kulturwissenschaftlerin stellte die prothetische Reparatur kriegsgeschundener Soldaten in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der "Wiederherstellung des Staatskörpers". Das ist eine historisch äußerst fragwürdige These, da sie wesentliche Zusammenhänge der damaligen Zeit vollkommen unberücksichtigt läßt. Es würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, die innenpolitische Lage im damaligen deutschen Reich in den letzten Jahren des Ersten Weltkriegs, den immer massiver werdenden Widerstand gegen den Krieg, die Entstehung von Arbeiter- und Soldatenräten und schließlich die Novemberrevolution sowie die daraufhin unter Federführung der damaligen Sozialdemokratie einsetzende Gegenrevolution, die in der gewaltsamen Niederschlagung wie auch politischen Vereinnahmung der Aufständischen gipfelte, zu skizzieren. In der Aussage, daß in den letzten Jahren des Ersten Weltkrieges und danach ein "regelrechter Bilderkrieg" um die Darstellung der Kriegsversehrten geführt wurde, in dem die "Prothetik als Propagandainstrument eine wichtige Rolle spielte", ist ihr kaum zu widersprechen, doch ist die Prothetik deshalb, wie sie erklärte, neben einem "Experimentierfeld für innovative Körperkonzepte" auch eine "Ressource heißer politischer Auseinandersetzung"?

Wohl kaum. Die damaligen, sehr wohl "heißen" und höchst gewaltsamen politischen Auseinandersetzungen - wenn man nur bedenkt, daß nicht nur die KPD-Führer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht womöglich sogar auf Befehl des SPD-Reichstagsabgeordneten und damaligen Volksbeauftragten für Heer und Marine, Gustav Noske, am 15. Januar 1919 durch Freikorps-Angehörige ermordet wurden, sondern zur Niederschlagung von Massenstreiks im Frühjahr desselben Jahres allein in Berlin rund 1.200 Menschen getötet wurden -, hätten der Prothetik als "Ressource" sicherlich nicht bedurft.

"Prothesen sollen ganz machen, was durch den Krieg zerbrochen wurde - die Körper, die Seele, die Nation", so Peiffer. In dieser Gleichsetzung manifestiert sich ein Staatsverständnis bzw. ein Begriff von "Nation", der die damals unversöhnlichen politischen Gegensätze, Widersprüche und Auseinandersetzungen nicht nur einebnet, sondern recht gezielt auszuklammern sucht. So könnte der Eindruck entstehen, der Erste Weltkrieg sei wie ein unergründliches Phänomen ausgebrochen und habe (auch) die deutsche Nation schwer in Mitleidenschaft gezogen; dabei resultierten die schweren Unruhen, Aufstände und räterepublikanischen Entwicklungen gerade aus der von vielen Menschen geteilten Auffassung, daß das herrschende Kaiserreich und die in ihm dominierenden Kräfte diesen Krieg verbrochen hatten und abgelöst gehörten, um einer demokratischen oder auch sozialistischen Gesellschaft Platz zu machen.

Die Bedeutung, die die Referentin der Prothetik zuordnete, erscheint insofern überhöht. Sie bezeichnete die Prothetik "in der restaurierenden und konservierenden Biopolitik der Weimarer Republik" als ein Symbol und einen wissenspolitischen Unruheherd. Deshalb sei es kein Zufall, vermutete die Referentin, daß die Prothesen der Kriegsveteranen in der medialen Darstellung des Nationalsozialismus ziemlich verdeckt gehalten wurden. Es mag sein, daß sich die damaligen politischen Kämpfe am medialen Umgang mit Kriegsveteranen und ihren Prothesen ebensogut oder schlecht nachzeichnen lassen wie an vielem anderem. Das macht die Prothetik nicht unbedingt, wie Peiffer es darlegte, zu einem "Unruheherd", der, wie sie erläuterte, "auch von der Opposition genutzt" wurde. Als Beispiele benannte sie unter anderem die Arbeiten des Künstlers Otto Dix, die Heimkehrertragödie "Der deutsche Hinkemann" des Schriftstellers, Kriegsgegners und Revolutionärs Ernst Toller, der am 9. April 1919 an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt war, oder auch den 1920/21 entstandenen parodistischen Text "Prothesenwirtschaft" des dadaistischen Künstlers Raoul Hausmann.

Politische Auseinandersetzungen sparen die Kunst nicht aus - Der Kartenspieler von Otto Dix - Foto: © 2011 by Schattenblick

Politische Auseinandersetzungen sparen die Kunst nicht aus
Foto: © 2011 by Schattenblick

Aus der Parodie Hausmanns, dem sie bescheinigte, für medientechnisch Revolutionäres durchaus offen gewesen zu sein, zitierte sie eine Passage, in der das damalige arbeitsmarktpolitische Kalkül der Prothesenversorgung unverschnörkelt zum Ausdruck kam: "... so'n Proleten-Arm oder -Bein wirkt erst vornehm, wenn 'ne Prothese dransitzt." Parodistisch habe Hausmann für Prothetiker längere Arbeitstage - 25 Stunden - und kleinere Essensrationen gefordert, weil die Prothese ja weniger Energie verbrauche; der Wiederaufbau Deutschlands sei mit diesen Leuten zu schaffen, weshalb jeder Einsichtige "Prothesenwirtschaft statt Rätediktatur" fordere.

Die Referentin ließ nicht unerwähnt, daß auch im Zweiten Weltkrieg durch die Militärkrankenhäuser der USA eine Tanz- und Travestie-Show tourte, die aus verstümmelten Veteranen bestand, die keineswegs als bemitleidenswerte Krüppel dargestellt wurden, sondern in Frauenkostümen ihre Prothesenbeine hochschleuderten, um hospitalisierte Soldaten durch ihr Beispiel zu motivieren. Die "Superkrüppel" der Gegenwart - den Begriff prägte der Filmemacher Paul Darke, der mit diesem Begriff (Supercrips) Menschen bezeichnete, die anderen trotz ihrer schweren Behinderung haushoch überlegen seien - sind jedoch nicht unbedingt in Kriegsveteranen oder prothetisierten Arbeitern auszumachen, sondern in Sportlern, die durch die Prothetik eine Körperlichkeit entwickelt hätten, die "mehr kann als die Natur".

Als Beispiele benannte die Referentin den südafrikanischen Sprinter und Weltrekordhalter Oscar Pistorius, dem die Beine aufgrund eines Geburtsfehler unterhalb der Knie amputiert wurden und der mit speziell für ihn angefertigten Karbon-Prothesen zu einem weltbekannten Leichtathleten wurde, und Aimee Mullins, eine ebenfalls beinamputierte US-amerikanische Athletin, Schauspielerin und Modell. An dem engen Zusammenhang zwischen "Krieg, funktionalistischem Kalkül, dem Ringen um den Körper des Staates und neue Technologien" habe sich bis heute nichts geändert, nur werde dieser Konnex bei den heutigen Strategien, Prothesen zu exponieren, kaum noch sichtbar.

Wichtige Impulse in der Prothesenforschung, nach wie vor verankert im militärisch-industriellen Komplex, kämen derzeit vom DARPA-Programm in den USA (Revolutionizing Prosthetics Program). Die Schnittstellen-Idee Schlesingers aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg sei inzwischen abgelöst worden vom Prinzip der Modulisierung. Die "steuerungslogische Interpretation des menschlichen Körpers als Rückkopplungssystem" sei nicht nur mit der Kybernetik zu einem zentralen Paradigma des 20. Jahrhunderts geworden, sondern befeuere die aktuelle Prothesenforschung, in der es um die immer bessere "Kontrolle der Hightech-Prothesen mittels Rückkopplungssystemen zwischen Nervenimpulsen und elektrischen Signalen" gehe.

Kurzum: Die Optimierung des Menschen (oder Soldaten?) zu einer Maschine, die leistungs- und leidensfähiger wird als der nicht technisch manipulierte Mensch, ist eine Zukunftsvorstellung, an deren Realisierung mit (militärischem) Hochdruck gearbeitet wird. Die Frage nach dem Nutzen etwaiger Prothesen für den vergesellschafteten Menschen läßt sich weder stellen noch beantworten, solange die Vergesellschaftung als solche nicht thematisiert wird. Und so bleibt die Frage nach der Ausbaufähigkeit der humanen Physis unbeantwortet, solange nicht die Herrschaft des Menschen über den Menschen (und dessen Körper) nicht mit Nachdruck in Frage gestellt wird. Julia Peiffer problematisierte die von ihr postulierte Idee, die "humane Physis auszubauen", keineswegs mit der Frage, ob damit nicht der fortgesetzten Versklavung des Menschen das Wort geredet werde.

Fußnote

[1] Die Hölle von Verdun. Vor 90 Jahren begann die fürchterlichste Materialschlacht des Ersten Weltkriegs. Von Gerd Fesser, junge Welt, 18.02.2006, Seite 15

'Labor'-Kulisse bei den 'Untoten' - Schauplatz prothetischer Fragen - Foto: © 2011 by Schattenblick

'Labor'-Kulisse bei den 'Untoten' - Schauplatz prothetischer Fragen
Foto: © 2011 by Schattenblick

Zu "Die Untoten" bisher erschienen:

BERICHT/003: "Die Untoten" - Pressegespräch zu Kongress & Inszenierung vom 12.-14.5.2011 auf Kampnagel (SB)
BERICHT/004: "Die Untoten" - Im Stahlbad der transhumanistischen Optimierungsdoktrin (SB)
BERICHT/005: "Die Untoten" - Wachkoma, ein Widerspruch in sich (SB)
BERICHT/006: "Die Untoten" - Roboter - reprojektiver Entwurf menschlichen Scheiterns (SB)
BERICHT/007: "Die Untoten" - Wachkoma - ein Film erzählt (SB)
BERICHT/008: "Die Untoten" - Altern eine Krankheit? (SB)
BERICHT/009: "Die Untoten" - Mark Ravenhill ... im Limbus medizinischer Unwägbarkeit (SB)
BERICHT/010: "Die Untoten" - Systemvollendet - Schlachtvieh Mensch (SB)
BERICHT/011: "Die Untoten" - Verrechtlichung der Sterbehilfe Einfallstor für genozidale Lösungen? (SB)
BERICHT/012: "Die Untoten" - Palliativmedizin zwischen Patientenautonomie und Sterbehilfe (SB)
BERICHT/013: "Die Untoten" - Hirntodlüge aus Pflegesicht (SB)
BERICHT/014: "Die Untoten" - Her- und Hinkünfte des deregulierten Todes (SB)
BERICHT/015: "Die Untoten" - Vorgriff auf den eigenen Tod in künstlerischer Inszenierung (SB)
BERICHT/016: "Die Untoten" - Sandy Stone ... aus einem bewegten Leben (SB)
BERICHT/017: "Die Untoten" - Das zweite Gesicht des Schönheitskultes (SB)
BERICHT/018: "Die Untoten" - Kapitalgespenster - Zur Ästhetik fehlender Theorie (SB)
BERICHT/019: "Die Untoten" - Auf der Suche nach dem Sitz des Bösen (SB)
BERICHT/020: "Die Untoten" - Verschleißwelten unvollständiger Autonomie (SB)
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INTERVIEW/001: "Die Untoten" - Matthias Zerler kämpft für Wachkoma-Patienten (SB)
INTERVIEW/002: "Die Untoten" - Petra Gehring, Philosophin (SB)
INTERVIEW/003: "Die Untoten" - Thomas Macho, Kulturwissenschaftler (SB)
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INTERVIEW/007: "Die Untoten" - Sandy Stone, Performancekünstlerin und Wissenschaftlerin (SB)
INTERVIEW/008: "Die Untoten" - Hans Werner Ingensiep, Philosoph und Biologe (SB)
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18. Juni 2011