Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → LITERATUR

SF-JOURNAL/057: Autoren... Carl Sagan, "wir sind nicht allein" (SB)


Carl Sagan, (9.11.1934 - 20.12.1996)


Manchmal kann es passieren, dass Wissenschaftler ihre schwere Robe und den kantigen Doktorhut ablegen, um sie gegen das lockere T-Shirt und die Baseball-Kappe der Sciencefiction-Autoren einzutauschen.
(STAR OBSERVER 4/2000, April 2000, S.78-81)


*


Persönliche Daten und Werke

Carl Sagan wurde als Sohn eines russischen Einwanderers und einer US- Amerikanerin am 9. November 1934 in New York geboren.

Seine Familie sah für ihn eine Laufbahn im Textilhandel vor. Aber in seiner Highschool-Zeit in Rahway, New Jersey, begann der Zwölfjährige sich für Astronomie und Astrophysik zu begeistern. Die Anregung, sich mit Planeten zu beschäftigen, ging von Edgar Rice Burroughs' Roman- Trilogie "Götter, Kriegsherr und Prinzessin vom Mars" aus.

Der junge Carl Sagan erhielt ein Leistungsstipendium, das es ihm ermöglichte, an der Universität von Chicago zu studieren, wo er auch von dem Genetiker und Nobelpreisträger H. J. Muller als Forschungsassistent angestellt wurde. Dort begann Sagans Interesse für die biochemischen Grundlagen des Lebens, später wandte er sich zusätzlich der Physik zu und schloß sein Studium 1955 mit dem Bachelor's Degree und 1956 mit dem Master's Degree ab.

1960 machte er in Astronomie und Astrophysik den Doktortitel. In dieser Zeit erweckte er durch das Modell einer "heißen Venus", das er aus Radioastronomiedaten erstellte und das der damaligen Lehrmeinung von einer kühlen, bewohnbaren Venus entgegenstand, Aufmerksamkeit in wissenschaftlichen Kreisen. Sagans Theorie wurde später durch die Daten der russischen Sonde Verena bestätigt.

Schon 1960 wurde Carl Sagan von der damals gerade gegründeten NASA in deren erstes Programm für Exobiologie (Erforschung etwaigen Lebens außerhalb der Erde) aufgenommen. 1961 nahm er an der ersten Konferenz über diese neue Disziplin in West Virginia teil.

In den frühen 60er Jahren arbeitete Sagan als Assistent (Associate professor) an der Harvard-Universität. Zusammen mit seinem Studenten James Pollack erforschte er die hellen und dunklen Flecken auf dem Mars. Statt sie wie üblich als Vegetationsveränderungen zu deuten, hielten Sagan und Pollack sie für sandsturmartige Winde in der Marsatmosphäre, die sichtbar Ablagerungen verschieben; nach drei Jahren bestätigte die Sonde Mariner 9 die Existenz von Staubstürmen auf dem Mars.

1968 verließ er Harvard und ging an die Cornell Universität in Ithaca im Bundesstaat New York, wo er eine zeitlich nicht begrenzte Professur erhielt, Leiter des Labors für Planetare Studien wurde und im Rahmen der Mariner- und Viking-Projekte zur Erforschung des Mars von der NASA in das Photo-Analyse Team berufen wurde. Sein Bestreben, dabei extraterrestrisches Leben auszuforschen, das sich jedoch nicht nachweisen ließ, hatte in der Öffentlichkeit schließlich die das Projekt finanziell schädigende Ansicht zur Folge, die Marsmission sei eine Pleite gewesen.

Mit seiner ersten Frau, der Künstlerin Linda Salzmann, entwarf er die bekannte "interstellare Grußkarte" für die Pioneer-Sonden 10 und 11 (März 1972 und Mai 1973). Ihr Inhalt wurde unter der sehr zweifelhaften Voraussetzung gewählt, die Sprache der Wissenschaft sei universell und Naturgesetze unveränderbar, also losgelöst von allen sozialen und geschichtlichen Einflüssen. Carl Sagan war fest davon überzeugt, daß irgendwo in den Tiefen des Raumes ältere, weiter fortgeschrittene Zivilisationen als die irdischen existieren, die uns ihre überlegenen Technologien lehren könnten. Bei der Betreuung der zwei Voyager-Sonden 1977 entwarf er deshalb nicht nur eine weitere Plakette als interstellare Botschaft, sondern ließ auch eine goldene Schallplatte anfertigen, die Grüße in 55 Erdsprachen (darunter Botschaften des damaligen UNO-Generalsekretärs Waldheim und des US- Präsidenten Carter) sowie unter anderem den Gesang von Walen, einen Querschnitt durch die Musikkulturen der Welt, 116 Bilder unserer Erde und Erdgeräusche beinhaltet.

Seine zweite Ehe mit Ann Druyan (im Präsidium der Federation of American Scientists) fällt in die Zeit seiner größten Popularität. Sie unterstützte ihn in seinem Engagement innerhalb der Regierungslobby, denn neben seinen Hochschul-, Medien- und Publikationstätigkeiten begann sich Sagan immer stärker im politischen Bereich zu engagieren. Er betrachtete es als seine Aufgabe, sich in Washington für die Genehmigung der enormen Summen einzusetzen, die für die Raumfahrtprojekte erforderlich waren.

Carl Sagan verstand sich auch als Lehrer in der medialen Fortbildung. Durch die vereinfachte Darstellung komplexer Sachverhalte und Gedankengänge und seine ansteckende Faszination an wissenschaftlichen Ergebnissen machte er sich bei manchen Kollegen unbeliebt, was er jedoch mit deren "Elfenbeinmentalität" abtat. Er präsentierte persönlich seine selbsterstellte dreizehnteilige Fernsehserie "Unser Kosmos", die von ca. 600 Millionen Menschen, einem Fünftel der Weltbevölkerung, gesehen wurde. Urknall, die Bildung von Galaxien, das Leben der Sterne und die Frage nach Leben auf den zahllosen Planeten im Universum waren Themen dieser TV-Folgen.

Als Autor veröffentlichte Sagan an die 400 wissenschaftliche Schriften und Essays. Sagan war aber nicht nur ein anerkannter Wissenschaftler, sondern auch ein unterhaltsamer Erzähler, wie seine Sachbücher "Unser Kosmos" und "Blauer Punkt im All" (1996) genauso beweisen wie sein SF-Titel "Contact" - Bücher, die weltweit einem Millionenpublikum bekannt wurden. Zwölf Jahre lang betätigte er sich auch als Herausgeber der Fachzeitschrift "Icarus". Sagans Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet; u.a. erhielt er die höchste Auszeichnung der National Academy of Sciences und den Pulitzerpreis.

Darüber hinaus war Carl Sagan Mitbegründer der "Planetary Society", der weltweit etwa 100.000 Mitglieder angehören, und die als nicht gewinnorientierte Vereinigung aus ihren Mitgliedsbeiträgen und privaten Spenden Raumfahrtprojekte finanziert. Und er arbeitete am SETI-Projekt mit, bei dem es um die Suche nach außerirdischer Intelligenz geht. Sagan war Mitglied der IAU-Kommission "Bioastronomy" und Vorsitzender der Division of Planetary Sciences der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft (AAS). Zudem hatte er 22 Ehrentitel amerikanischer Universitäten und Colleges inne.

In seinem 60. Lebensjahr erkrankte er an der unheilbaren und seltenen Myelodysplasie, dem Vorstadium einer Leukämie. Die zunehmende Veränderung des Knochenmarks läßt dieses immer weniger rote Blutkörperchen produzieren, so daß der Betroffene anämisch, also "blutarm", wird. Unter starkem psychischen Druck beendete Sagan in dieser Zeit noch sein Buch "The Demon Haunted World, Science as a Candle in the Dark", das sich gegen die New Age-Bewegung wendet und die Themen anspricht, die ihn am meisten am Herzen lagen: Vernunft versus Unvernunft, Wissen versus Glauben, Objektivität versus Wunschdenken. Er verteidigte zeitlebens die Wissenschaft gegen Scharlatanerie und modischen Unsinn wie New-Age.

Im März 1995 wurde ihm im Fred Hutchinson Krebsforschungszentrum in Seattle/Washington als letzter medizinischer Ausweg Knochenmark von seiner Schwester Cari Sagan Greene übertragen. Bei der Preisverleihung der American Association for the Advancement of Science am 7. Februar 1996 erklärte er, daß er nun wieder die Kraft habe, das Filmprojekt zu seinem Roman "Contact" nebenbei zu betreuen. Anfang Dezember des gleichen Jahres zog er sich jedoch eine Lungenentzündung zu, von der er nicht mehr genesen sollte. Carl Sagan starb am 20. Dezember 1996.


*


Lesehinweis

Hier soll anhand des berühmt gewordenen Films das 1986 herausgekommene Buch "Contact" vorgestellt werden. Der Film gelangte 1997, mit Jodie Foster in der Hauptrolle, in die Kinos.

Er erzählt die Geschichte der Radioastronomin Ellie Arroway, die jenes Ereignis erlebt, das Sagan bis zu seinem Tod verwehrt blieb: den Empfang außerirdischer Signale. In diesen fremden Radiosignalen ist ein Bauplan für eine Maschine enthalten, die fünf Wissenschaftler als Vertreter der Erde ins "Zentrum" des Universums bringen soll.

Um die überlichtschnelle Reise wissenschaftlich plausibel erscheinen zu lassen, erdachte Sagan zusammen mit seinem Freund und Kollegen Kip Thorne das funktionierende Modell eines kosmischen Wurmloches. Dahinter steckt ein interstellarer Tunnel durch die Raumzeit, der für kurze Zeit stabil genug ist, um ein Raumschiff mit Überlichtgeschwindigkeit durch den Kosmos zu transportieren. "Wir wollen die Wahrheit finden, wo immer sie auch liegen mag", sagte Carl Sagan. "Aber um die Wahrheit zu finden, brauchen wir Vorstellungskraft und Skepsis. Wir sollen uns nicht fürchten zu spekulieren, aber wir müssen darauf achten, Spekulationen von Tatsachen zu unterscheiden."

Contact - der Film (Warner Bros.)
Regie: Robert Zemeckis
Drehbuch: Michael Goldenberg
(nach einem Roman von Carl Sagan)
Produzenten: Carl Sagan, Ann Druyan


*


Autoren
- Persönliche Daten
- neue Akzente für die Science Fiction-Literatur
- Zur Schreibtechnik
- Stellungnahmen zur Science Fiction
in Interviews und Romanen
- Werke mit Auszeichnungen und Verfilmungen
- Leseproben

Erstveröffentlichung 2002

9. Januar 2007