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BUCHTIP/0986: Astrid von Pufendorf "Die Plancks" (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft 1/2006

Zwischen Vater und Sohn

Von Dieter Hoffmann


Astrid von Pufendorf, Die Plancks,
Eine Familie zwischen Patriotismus und Widerstand
500 Seiten mit zahlreichen Abbildungen,
Propyläen-Verlag, Berlin 2006, 22 Euro.


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Wenn man die in der Planck-Literatur häufig zu lesende Feststellung ernst nimmt, dass Erwin Planck nicht nur der Sohn von Max Planck war, sondern gerade in seinen letzten Lebensjahrzehnten auch engster Vertrauter und Freund gewesen sein soll, so könnte dem vorliegenden Buch eine Schlüsselstellung im Verständnis der Biografie des alten Planck zukommen.

Auf der Grundlage des bislang nicht zugänglichen Nachlasses von Erwin Planck und dessen Witwe Nelly - ein Konvolut von fast 500 Vater-Sohn-Briefen, Tagebüchern und anderen Aufzeichnungen - versucht die Autorin ein Porträt beider Personen und ihres familiären Umfelds zu entwerfen. Sie tut dies mit viel Liebe zum Detail und mittels ausgiebiger Briefzitate, wobei man sich aber zuweilen in diesen allzu stark verliert und so mitunter die zentralen Fragestellungen und Leitlinien des Buchs verloren gehen.

Beschränkung auf das Wesentliche und größerer Mut zu wertenden Urteilen wäre wohl auch in diesem Falle mehr gewesen. Vielleicht wäre es auch angeraten gewesen, auf den Spagat zwischen Vater und Sohn zu verzichten und statt den Versuch einer Doppelbiografie zu wagen, sich ganz auf das Leben Erwin Plancks zu konzentrieren. Ohnehin erfährt man zu Max Planck eigentlich nichts Neues. Außerdem dokumentieren Feststellungen, dass die Naturwissenschaft Max Planck gegen die nationalsozialistische Ideologie immun machte (Seite 396) oder dass Planck "um jeden jüdischen Wissenschaftler, sei es in der Preußischen Akademie, sei es in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft" kämpfte (Seite 348), nicht nur einen das ganze Buch durchziehenden Hang zur Beschönigung, sondern zeigen - wie andere Detailfehler -, dass die Autorin sowohl im Falle Max Plancks als auch bezüglich der Physikgeschichte generell nicht sehr tief in den entsprechenden wissenschaftshistorischen Kontext eingedrungen ist. Die Wahrheit zum Verhalten Max Plancks im Dritten Reich ist doch sehr viel differenzierter.

Dennoch beeindrucken die hier präsentierten Briefauszüge, denn sie vermitteln einen sehr lebendigen (wenngleich nicht erschöpfenden) Eindruck der Planckschen Vater-Sohn-Beziehung und liefern vor allem ein einfühlsames Porträt Erwin Plancks und seiner Entwicklung vom preußischen Offizier des Ersten Weltkriegs zu einem einflussreichen, wenngleich im Hintergrund agierenden Politiker der untergehenden Weimarer Republik. Es ist zugleich ein eindrucksvolles Zeugnis der Illusionen und Trugschlüsse, denen Konservative wie Planck unterlagen und damit nicht zuletzt zum Untergang der Weimarer Republik beitrugen; ein Jahrzehnt später versuchten sie dann selbst durch den Einsatz ihres Lebens vergeblich, diesen tragischen Irrtum zu korrigieren und der Tyrannei Hitlers ein Ende zu setzen: Erwin Planck beteiligte sich am 20 Juli 1944 am Attentat auf Hitler und wurde dafür am 23. Januar 1945 hingerichtet.

Das Buch liefert so manches neue Detail zum konservativen Widerstand gegen Hitler und seine Motive. Für den Historiker ebenfalls bemerkenswert ist das Bild, das das Buch von Kurt von Schleicher (dessen enger Mitarbeiter Erwin Planck war) entwirft und das einer historischen Neu- beziehungsweise Umbewertung dieses Politikers der Weimarer Republik gleichkommt. Trotz aller kritischen Anmerkungen ein lesenswertes Buch - nicht zuletzt der Fülle erstmals publizierter Briefe und Dokumente wegen.


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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin der Max-Planck-Gesellschaft
Ausgabe 1/2006, S. 72-73
Herausgeber: Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
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