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FRAGEN/013: Interview mit Kat Ross, Autorin des Climate-Fiction-Romans 'Some Fine Day' (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 09. Juni 2015

Klima: Was, wenn der Alptraum geschieht? - Interview mit Kat Ross, Autorin des Climate-Fiction-Romans 'Some Fine Day'

von Kanya D'Almeida


Bild: © NASA Goddard Space Flight Center/CC-BY-2.0

Ein Satellitenbild vom Taifun 'Haiyan' zeigt das Ausmaß des Wirbelsturms
Bild: © NASA Goddard Space Flight Center/CC-BY-2.0

NEW YORK (IPS) - Man stelle sich Folgendes vor: Die Welt, wie wir sie kennen, wird von Hyper-Wirbelstürmen mit Windgeschwindigkeiten von über 500 Meilen in der Stunde auseinandergerissen, die ein Ausbreitungsgebiet von der Größe Nordamerikas haben.

Willkommen in der Welt, wie sie Kat Ross in ihrem Roman 'Some Fine Day' ('Eines schönen Tages') geschaffen hat. Die Autorin erzählt die Geschichte der in der 'Unterwelt' lebenden 16-jährigen Kadettin Jansin Nordqvist, die kurz vor ihrem Abschluss an der Militärakademie von ihren Eltern mit einer Reise in die 'Oberwelt' überrascht wird.

Jansin ist fasziniert von der Aussicht, das Meer und die echte Sonne zu sehen. Von dem, was sie 'oben' erwartet, hat sie keine Ahnung: eine Zeit der Gefangenschaft mit den 'Wilden', vor denen sie ihr Leben lang gewarnt worden war, und Entdeckungen über das unterirdische Regime, die sie am Ende alles in Frage stellen lassen, was sie 'unten' gelernt hat.

In den letzten beiden Jahren hat sich die 'Climate Fiction' ('Cli-Fi') zu einer erfolgreichen Untergattung von 'Science Fiction' gemausert, und die Zahl der Autoren, die aus den Horrorszenarien des Klimawandels schöpfen, nimmt immer weiter zu. Angesichts der Tatsache, dass die Klimagespräche stagnieren und sich die politischen Entscheidungsträger als unfähig oder unwillig zeigen, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 40 bis 70 Prozent zu drosseln, um das Schlimmste abzuwenden, manövriert sich die Menschheit in ein Zeitalter sich häufender und stärker werdenden Naturkatastrophen.

Da es vor allem die jungen Generationen sein werden, die die Folgen dieser gefährlichen Entwicklungen zu spüren bekommen werden, kommt den Klimafiktionsromanen eine wichtige Rolle zu, zu informieren und zu inspirieren.

"Ich denke nicht, dass ich das Wort 'Klimawandel' in meinem Buch verwendet habe", meinte dazu Ross im IPS-Gespräch. "Falls doch, geschah dies ungewollt. [...] Denn das letzte, was die Leser wollen, ist ein belehrender Roman mit Charakteren, die die Meinung des Autors wiedergeben." Es folgen Auszüge aus dem Interview über die Mittel und Wege, ob und inwiefern Cli-Fi zur Klimadebatte beitragen kann.


Kat Ross, Autorin von 'Some Fine Day' - Mit freundlicher Genehmigung von Kat Ross

Kat Ross, Autorin von 'Some Fine Day'
Mit freundlicher Genehmigung von Kat Ross

IPS: Seit wann interessieren Sie sich für Climate Fiction und was reizt Sie besonders an dem Genre?

Kat Ross: Mein Respekt gilt Dan Bloom, der den Cli-Fi-Begriff geprägt hat, der sehr eingängig ist und dem Genre Auftrieb gegeben hat. Als ich mich hinsetzte, um das Buch zu schreiben, stand außer Frage dass der Klimawandel einen großen Teil des Plots ausmachen würde. Schließlich hatte ich als Journalistin fast ein Jahrzehnt lang über den Klimawandel geschrieben, und von Jahr zu Jahr wurden die Klimaprognosen angsteinflößender. Einige Zukunftsvisionen sind inzwischen dabei, Realität zu werden.

Was mich vor allem erschütterte, war die Kluft zwischen dem, was Wissenschaftler und die Öffentlichkeit sagen [...] und dem kompletten Mangel staatlichen Handels. Es ist offensichtlich, dass es insbesondere die Treibstoffindustrie ist, die dafür sorgt, dass dieses gigantische Problem nicht angegangen wird. Die Industrie gibt Milliarden US-Dollar dafür aus, die Klimaforschungsergebnisse in Frage zu stellen, was wirklich grotesk ist. Ich denke, dass Climate Fiction ein wunderbares Instrument ist, um gerade mit jungen Leute ins Gespräch zu kommen. Ausgangspunkt von 'Some Fine Day' ist die Frage: Was, wenn die Worst-Case-Szenarien eintreffen?

IPS: Kommentiert Ihr Buch, auch wenn es in der Zukunft spielt, nicht unsere eigene Zeit? Gesetzt den Fall, dass dies so ist, was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die jungen Leuten zu diesem Zeitpunkt der Geschichte zuteil werden?

Ross: Ja, auf jeden Fall! Es wird ziemlich deutlich, dass die verwüstete Welt in der Geschichte, die ich etwa 80 Jahre in die Zukunft verlegt habe, das direkte Ergebnis eines zu geringen und zu späten Handelns angesichts der unkontrolliert hohen CO2-Emissionen ist. Doch was gut ist: Wir stehen zwar mit einem Fuß am Abgrund, doch ist der Absturz noch nicht erfolgt. Es gibt noch immer Zeit, die Zukunft zu ändern. Und junge Leute werden immer aktiver. Das 'Adopt-a-Negotiator'-Projekt beispielsweise ist eine gute Sache, die bei jungen Leuten ankommt. Sie könnten diesen trüben Verhandlungen zu mehr Verbindlichkeit verhelfen.

Letztendlich sind es die Teenager und Twens, die mit den Folgen der Entscheidungen leben müssen, die wir heute treffen - und sie sind nicht glücklich. Die Regierungen sollten besser anfangen, ihnen zuzuhören.

IPS: Das Buch rühmt und verurteilt gleichermaßen die Grenzen, an die die Menschheit die technologischen und wissenschaftlichen Experimente geführt hat: Einerseits lebt eine ganze Zivilisation als Ergebnis wirtschaftlicher Innovationen unter der Erde, andererseits ist die Gentechnologie furchtbar aus dem Ruder gelaufen. Was haben Sie sich als Autorin dabei gedacht?

Ross: Technologie an sich ist nichts Böses. Es kommt darauf an, was wir mit ihr anstellen. Das ist nicht neu. Wir brauchen uns doch nur Mary Shelleys 'Frankenstein' von 1818 anzusehen. Wir sind immer noch fasziniert davon, wie sie Tod, Auferstehung und die verheerenden Folgen der wissenschaftlichen Hybris beschreibt. Zugrunde liegt der Gedanke, dass alles einen Preis hat. Allerdings scheint der Übergang zu den erneuerbaren Energien mit einem weitaus kleineren Risiko verbunden zu sein, als einen toten Riesenkerl wieder zum Leben zu erwecken.

Was 'Some Fine Day' angeht, wurde ich mit lustigen Fragen bombardiert. Etwa, wie man eine unterirdische Stadt bauen kann. Oder wo nehmen die Menschen unterhalb der Erde die Luft zum Atmen her? Sind Hyper-Wirbelstürme überhaupt möglich? (ein Wissenschaftler des 'Massachusetts Institute of Technology' meint ja). Wie hoch wird der Meeresanstieg sein, wenn alle Pole geschmolzen sein werden? Was hieße das für die amerikanische Ostküste?

IPS: In Ihrem Buch thematisieren sie den Überwachungsstaat und eine faschistoide Regierungsführung. Auch ist immer wieder von dem 'einen Prozent' die Rede, der Gemeinschaft, aus der die Protagonistin stammt, die diese dann später bekämpft. Wie können Sie sicher sein, dass Ihre junge Leserschaft diese Anspielungen versteht?

Ross: Irgendwie haben sich die Schlägertrupps repressiver Regime in der Science-Fiction-Branche etabliert. Ich denke jedoch, dass sie im Kontext des Romans Sinn machen. Sie sind Personen, die alles verloren haben. Sie wurden von massiven Stürmen, der Versauerung der Meere, dem Artenschwund, dem ganzen Drum und Dran von der Erde vertrieben. Der Übergang in die unterirdische Welt wurde vom Militär organisiert, und nun sehen sie sich mit recht begrenzten Ressourcen konfrontiert. Jeder Tropfen Wasser, jedes bisschen Nahrung wird rationiert. Es gibt die Tendenz, die Dinge zu horten und gegen den Nachbarn zu kämpfen. Wir haben es also nicht mit einer besonders demokratischen Gesellschaft zu tun.

Die Protagonistin Jansin ist vor allem deshalb interessant, weil sie zunächst zu den wahren Gläubigen des Systems zählte - eine Kadettin, die ihr ganzes Leben lang darauf abgerichtet wurde, Befehle niemals zu hinterfragen. Doch entwickelt sie sich im Verlauf der Geschichte zu einer Person, die versteht, dass sie nicht auf diese vorgeschriebene Weise leben muss. Es muss nicht alles auf ein 'wir gegen den Rest der Welt' hinauslaufen - was das mächtigste Propagandamittel aller Zeiten war.

Auch das ist ein Grund, warum ich gerne junge Protagonisten für meine Romane wähle: Sie sind im Allgemeinen offener. Ihre Sichtweisen haben sich noch nicht zementiert.

IPS: Obwohl die Geschichte fiktiv ist, vermittelt sie ein Gefühl von Dringlichkeit, die auch den Leser dazu bringt, immer weiterzulesen. Sie beschreibt die Notlage, in der sich die Menschheit befindet. War das beabsichtigt? Oder ging es vor allem darum, einen spannenden Roman zu schreiben und den Lesern selbst die Entscheidung zu überlassen, welche Schlüsse sie über die globalen Klimastrategien ziehen wollen?

Ross: Ich denke nicht, dass ich das Wort 'Klimawandel' in meinem Buch verwendet habe. Falls doch, geschah dies ungewollt. Es ist ziemlich klar, was derzeit vor sich geht. Doch das Letzte, was die Leser wollen, ist ein belehrender Roman mit Charakteren, die die Meinung des Autors wiedergeben. 'Some Fine Day' zielt auf eine Leserschaft junger Erwachsener, deshalb musste ich dieser Hinsicht besonders vorsichtig sein. Heimliche Indoktrinierung! Scherz beiseite, mir ging es vor allem darum, eine wirklich gute Geschichte zu erzählen - mit Charakteren, die einem ans Herz wachsen - und eine Welt zu konstruieren, die sich in jeder Hinsicht real anfühlt.

Doch wenn Leute mein Buch lesen und es dazu bringt, sich selbst zu sagen: "Heilige Scheiße, das hört sich wirklich schlimm an. Könnte das wirklich passieren? Ich habe gehört, dass es auf dem Marktplatz der Stadt eine Demo gibt. Vielleicht sollte ich hingehen, um mir anzuhören, was sie zu sagen haben." Dann wäre das für mich in Ordnung. (Ende/IPS/kb/09.06.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/06/qa-what-if-the-worst-case-scenarios-actually-come-to-pass/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2015

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