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UNIVERSITÄT/146: Hildesheim - Migrationspolitik im Fokus der Forschung (idw)


Stiftung Universität Hildesheim - 07.07.2015

Migrationspolitik im Fokus der Forschung

Flüchtlinge unterstützen: Studium nach der Flucht


Land und Kommunen sollten überlegen, wie sie die Wartezeit von Asylsuchenden sinnvoll nutzen können. "Langeweile und erzwungene Untätigkeit verursachen Integrationsprobleme, die man später nur noch mühsam beheben kann", sagt Hannes Schammann, Juniorprofessor für Migrationspolitik an der Universität Hildesheim. Die Uni öffnet Türen für Flüchtlinge, die studieren möchten. Schammann beobachtet eine große Engagementbereitschaft. Menschen gehen etwa gemeinsam mit Flüchtlingen zur Behörde, lehren die deutsche Sprache. Er weist aber darauf hin: "Nicht jeder ist qualifiziert, in allen Bereichen zu helfen. Ehrenamt braucht Hauptamt, die Stadt muss das koordinieren und Freiwillige begleiten."


Foto: © Isa Lange / Uni Hildesheim

Studium nach der Flucht: Hildesheimer Studierende und Lehrende unterstützen Flüchtlinge auf dem Weg zum Studium. Im Bild: Während einer Campusführung durch die Uni im Frühjahr 2015.
Foto: © Isa Lange / Uni Hildesheim

"Flüchtlinge werden zunehmend mit Blick auf ihren Nutzen auf dem Arbeitsmarkt gesehen. Viele sind aber traumatisiert, können nicht sofort arbeiten. Es wird harte politische Auseinandersetzungen geben, ob das Asylverfahren tatsächlich zu einer Art Rekrutierungsinstrument für Fachkräfte umgebaut werden soll. Vor allem, wenn Kommunen sagen: Wir möchten MINT-Fachleute. Und nicht: Wir möchten eine Familie zusammenbringen, ihr Schutz geben", sagt Hannes Schammann. An der Universität Hildesheim ist er Juniorprofessor für Migrationspolitik - bundesweit der erste mit dieser Denomination. Er befasst sich mit der Frage, wer - Kommunen, Bundesländer, EU, Zivilgesellschaft und Unternehmen - sich wie zu Wort meldet.

Kommunen reagieren sehr unterschiedlich, so der Migrationsforscher. "Am besten fahren Kommunen, die langfristig flexibel denken und Schwankungen der Flüchtlingszahlen einplanen. Flüchtlingsmigration lässt sich kaum steuern. Die Stadt Münster kooperiert etwa mit Wohnungsbaugesellschaften und plant Zwischennutzungen ein. Die Stadt Hildesheim überrascht mich positiv, denkt pragmatisch. Zuerst kommen Flüchtlinge in die Gemeinschaftsunterkunft, dann möglichst schnell in eigene Wohnungen. Das fördert die Integration und ist meist kostengünstiger." Die Stadt kommt im "Arbeitskreis Asyl" mit Kirchen, Studierenden und ehrenamtlichen Initiativen zusammen.

Schammann beobachtet eine große Bereitschaft, sich zu engagieren. Menschen gehen zum Beispiel gemeinsam mit Flüchtlingen zur Behörde, lehren die deutsche Sprache. Er weist aber darauf hin: "Nicht jeder ist qualifiziert, in allen Bereichen zu helfen. Ehrenamt braucht Hauptamt, die Stadt muss das koordinieren und Freiwillige begleiten."

Land und Kommunen sollten überlegen, wie sie die Wartezeit von Asylsuchenden sinnvoll nutzen können, fordert Schammann. "Langeweile und erzwungene Untätigkeit verursachen Integrationsprobleme, die man später nur noch mühsam beheben kann. Deshalb sollte die Landesregierung weiterhin konsequent mit dem Bund darüber verhandeln, wie man Asylbewerber ab dem ersten Tag für Integrationskurse zulassen kann." Land und Kommunen sollten Möglichkeiten schaffen, damit sich Flüchtlinge sinnvoll beschäftigen können. "Man kann beispielsweise gezielt studierende Asylsuchende als Gasthörer an Unis zulassen. In Hildesheim gehen wir erste Schritte und merken: Das Schnupperstudium an der Universität gibt Struktur im Tagesablauf, die Studierenden mit Fluchterfahrung nehmen am normalen Uni-Betrieb teil, wie jeder andere Student auch. Viele haben einen ungesicherten Status, aber sie bringen den Mut auf, sind hoch motiviert, zu lernen", sagt der Politikwissenschaftler.

In der Lehre möchte er "Kompetenzen zum Leben in einer pluralen Gesellschaft vermitteln". In seinen Kursen diskutieren Studierende mit Flüchtlingen über die Migrationspolitik der EU, am Beispiel der "Pegida" erörtern sie Fragen der politischen Kultur. Mit Professorin Marianne Kneuer und Professor Thomas Demmelhuber organisiert er die öffentliche Vorlesungsreihe "Demokratie und Islam". "Da treffen Hildesheimer und Studierende aufeinander und diskutieren intensiv über eines der emotional am stärksten aufgeladenen Themen unserer Zeit."


Zur Person:

Prof. Dr. Hannes Schammann ist seit Herbst 2014 Juniorprofessor für Migrationspolitik an der Hildesheimer Universität. Vorher arbeitete er mehrere Jahre in der migrations- und integrationspolitischen Praxis: als Projektleiter für Migration und Integration bei der Robert Bosch Stiftung, als Referent für Grundsatzfragen der Integration beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und als Koordinator für Integrationsprojekte bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Ev. Jugendsozialarbeit. Er arbeitet besonders gerne an der Schnittstelle von Forschung und Praxis. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen auf Migrations- und Flüchtlingspolitik in Deutschland und der EU sowie auf der Frage nach Teilhabe islamischer Organisationen in Deutschland.

Aktuelles Interview mit Hannes Schammann:
www.uni-hildesheim.de/neuigkeiten/migrationspolitik-im-fokus-der-forschung/


Magazin: Themenschwerpunkt Studium nach der Flucht:

Mehr erfahren Sie im Magazin der Universität Hildesheim. Die Sommerausgabe 2015 erscheint zum "World Refugee Day" mit dem Schwerpunktthema "Studium nach der Flucht / Bildungswege von Flüchtlingen" und ist online kostenfrei als PDF und Epaper abrufbar:
www.uni-hildesheim.de/unimagazin


Weitere Informationen unter:
https://www.uni-hildesheim.de/neuigkeiten/bildungswege-von-fluechtlingen-world-refugee-day/
- Bildungswege von Flüchtlingen, Studium an der Uni Hildesheim

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution102

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Stiftung Universität Hildesheim, Isa Lange, 07.07.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2015

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