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SPRACHE/894: Der ganze Körper spricht (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 09.04.2015

Der ganze Körper spricht

Anja Stukenbrock ist neue Professorin für Germanistische Sprachwissenschaft der Universität Jena


"Hier ist es". Wer bei dieser Äußerung nicht auf die Geste achtet, dem fehlt ein Teil der Kommunikation. Denn Gesten, Blick, Mimik, Tonfall - eigentlich der ganze Körper ist Teil der menschlichen Kommunikation und diese ist nur vollständig, wenn sie als Gesamtgeschehen beachtet wird.

Verbales und nonverbales Zeigen, wissenschaftlich Deixis genannt, ist ein zentrales Forschungsinteresse von Prof. Dr. Anja Stukenbrock von der Universität Jena. Die neue Lehrstuhlinhaberin für Germanistische Sprachwissenschaft hat in ihrer jüngst erschienenen Habilitationsschrift das Zusammenspiel von Sprache, Gestik und Blick bei Erwachsenen mit modernsten Methoden untersucht - und dies an vielfältigen Beispielsituationen, die von Stadtführungen über Arzt-Patienten-Gespräche bis hin zu medialen Kommunikationsformaten reichen. Ein wichtiges Resultat: In der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht spielen neben der Sprache in jedem Augenblick auch die wechselseitige Wahrnehmung, die körperliche Koordination der Beteiligten und der umgebende Raum eine Schlüsselrolle für das Verständnis. Stukenbrock beobachtet und analysiert Sprache und Grammatik im situativen Kontext. Neben der Gegenwartssprache interessiert sich die gebürtige Dortmunderin auch für sprachreflexionsgeschichtliche Fragestellungen. So hat die Wissenschaftlerin sich bereits in ihrer Dissertation, die sie 2004 an der Uni Heidelberg vorgelegt hat, mit "Sprachreflexion als Medium kollektiver Identitätsstiftung in Deutschland (1617-1945)" beschäftigt. Sie analysierte die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Sprachnationalismus von der Barockzeit bis zu den beiden Weltkriegen und zeigte detailliert auf, wie anfängliche "Vielstimmigkeit zur Einstimmigkeit" im Faschismus verengt wird.

Dabei ist die neue Jenaer Linguistin beinahe durch Zufall zur Sprachwissenschaft gekommen, reizte die Hölderlin-Liebhaberin doch lange die Literaturwissenschaft. Sie studierte Germanistik und Anglistik in Heidelberg und Edinburgh und war auch als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache tätig. Doch prägende Vorbilder und interessante Fragestellungen wiesen den Weg in die Sprachwissenschaft: von Heidelberg über Freiburg auf eine Professur an der Uni Duisburg-Essen. Dort entschied sie sich unter zwei Rufen für die Friedrich-Schiller-Universität und ist bereits nach Jena gezogen. Hier erlebe sie landschaftliche Reize und v. a. ein Klima der Bildung, was ihr den Wechsel leicht gemacht habe. Nicht zuletzt die Studierenden hätten sie begeistert, betont die sportliche Wissenschaftlerin, die gerne forschungsorientiert lehrt. Sie möchte die Studierenden früh animieren, eigene Ideen zu entwickeln und selber Projekte umzusetzen. Bereits der Alltag biete dazu vielfältige Möglichkeiten, etwa bei der Beobachtung der Sprachentwicklung von Kindern. Ansonsten bieten ebenfalls Stukenbrocks kommende Forschungsprojekte gute Beteiligungsmöglichkeiten, auch wenn dann die Ausgangsbasis komplizierter ist. Denn die Neu-Jenaerin will sich verstärkt der sprachlichen Bewältigung von Verlust und Trauma widmen, mit mobilen Eyetracking-Verfahren arbeiten und auch die institutionelle Kommunikation noch vertiefter betrachten.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution23

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Axel Burchardt, 09.04.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2015

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