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SCHULE/001: Dringt Opus Dei nach Potsdam vor? (Gerhard Feldbauer)


Dringt Opus Dei nach Potsdam vor?

von Gerhard Feldbauer, 6. Oktober 2011


Opus Dei, das klerikalfaschistische Gotteswerk, gilt seit Josef Ratzinger den Papstthron erklomm, als das entscheidende Machtzentrum im Vatikan. Natürlich war davon während des Rummels um den Papst-Besuch in Deutschland nichts zu hören. Dabei hätte es einen konkreten Anlass gegeben. Steht doch bei Potsdam die Errichtung eines Jungengymnasiums des Gotteswerkes bevor. Das Oberste Verwaltungsgericht des Landes hat kürzlich die Berufung des Bildungsministeriums dagegen zurückgewiesen.


Auch vor Exorzismus nicht sicher

Die Anstalt soll 700 Schüler aufnehmen, der verstärkten Beeinflussung der Jugend dienen und frühzeitig Nachwuchs rekrutieren, der angesichts des Austrittes von 180.000 Katholiken aus der absolutistischen und den Alleinvertretungsanspruch für alle Christen beanspruchenden Kirche dringend von Nöten scheint. Die Zöglinge sollen durch eine streng katholisch ausgerichtete Erziehung vor den "verwerflichen Einflüssen" öffentlicher Bildungseinrichtungen bewahrt werden. Wie immer wieder bekannt wird, sind derartige Anstalten nicht nur Brutstätten von Misshandlungen, sondern werden dort ebenso noch mittelalterliche Züchtungsrituale mit Geißel und Stachelgürtel praktiziert sowie eine simplizistische Kreuzzugsideologie gepredigt. Aber auch vor Exorzismus sind nicht gefügige Zöglinge nicht sicher. Ist doch Ratzinger in den 1970er Jahren in einen Exorzismus verwickelt worden, in dessen Verlauf eine Studentin ums Leben kam. Als Papst hat er bereits bei seiner ersten Generalaudienz 2005 dieses mittelalterliche Folterritual ausdrücklich gut geheißen und die anwesenden Exorzisten ermuntert, "weiterzumachen".


Gotteswerker mit Bundesverdienstkreuz

Die Installierung des Gymnasiums ist Bestandteil der Osterweiterung des Opus Dei, die im Rahmen der Beseitigung der DDR schon im Herbst 1989 der Gotteswerker Cervóse Navarro, langjähriger Vizepräsident der Freien Universität (damals noch Westberlins) und Institutsdirektor für Neuropathologie, einleitete. Sein Wirken in der klerikal-faschistischen Organisation hinderte den damaligen Präsidenten der Bundesrepublik, Roman Herzog, nicht im geringsten, ihn mit dem Bundesverdienstkreuz zu dekorieren. Den Vorschlag hatte FU-Präsident Johann W. Gerlach unterbreitet und mit "sozialem und beruflichem Engagement" begründet! Lehrer- und Studentenproteste gegen die Verleihung wurden ignoriert.

In welche "Obhut" wollen die Herren in den Richterroben junge Menschen in dem zum einstigen Ordensland Brandenburg gehörenden Potsdam übergeben? War für den Richterspruch auch Grundlage, dass der im Juli 1933 zwischen dem Vatikan und den Nazi-Faschisten geschlossene Staatskirchenvertrag ("Reichskonkordat") bis heute für den Nachfolgestaat Bundesrepublik Deutschland gültig ist?. Opus Dei-Gründer Escriva de Balaguer y Alba, bis zu seinem Tod 1975 sein Generalpräsident, war ein "verständnisvoller Freund" Hitlers, den er zusammen mit Franco als "Retter des katholischen Glaubens gegen den kommunistischen Atheismus" bezeichnete. An ihrer Seite nannte er sich einen "Ritter der Neuzeit", der die Gläubigen in den Kampf gegen die gottlosen Kommunisten führt. Schon hier fragt man sich, welcher Geist da noch lebt und am Leben erhalten werden soll.


Ratzingerpapst verkörpert Bündnis von Kurie und Faschismus

Das Werk Gottes unterstützte den Putsch gegen die spanische Volksfrontregierung und den blutigen Terror des Franco-Regimes und seiner deutschen und italienischen Verbündeten. Acht Opus Dei-Mitglieder traten in die Regierung des "Caudillo" ein. Den Mord an sechs Millionen Juden, bezeichnete Balaguer als "völlig übertrieben".

In Italien hielten Gotteswerksmänner Kontakte zur CIA und zu hohen italienischen Militärs, welche die verfassungsfeindliche faschistische Putschzentrale Propaganda due (P2) gründeten, die ein Regime faschistischen Typs an die Macht bringen wollte. Im Frühjahr 1978 fiel der christdemokratische Parteivorsitzende Aldo Moro, der für eine Regierungszusammenarbeit mit den Kommunisten eintrat, dem von der P2 gelenkten Mordterror zum Opfer. Nach der Aufdeckung der Loge gewährte Opus Dei ihren Mitgliedern Unterschlupf vor der polizeilichen Verfolgung. Insider halten es seit langem für möglich, dass zwischen der P2 und Opus Dei Beziehungen, auch personeller Art existierten. In Chile waren Mitglieder des Gotteswerkes am faschistischen Militärputsch Pinochets beteiligt und bekleideten unter dessen Diktatur Ministerämter. Ratzinger-Vorgänger Wojtyla stärkte die Position des Diktators mit einem Besuch in Chile. Ungerührt von einer protestierenden Menschenmenge, die ihm zurief: "Papa pellegrino, maledeci l'Assasino" (Pilgerpapst, verfluche den Mörder), zeigte er sich mit Pinochet auf dem Balkon seiner Residenz und segnete ihn und seine Regierung.

Opus Dei-Mitglieder gelangten in hohe Regierungs- und öffentliche Ämter, erklommen die Chefsessel in Banken und Konzernen, kamen an die Schalthebel von Massenmedien und in einflussreiche Kirchenämter, erreichten Führungspositionen in Lehre und Forschung. So hat das Gotteswerk seine Leute an weit über 450 Universitäten in leitenden Positionen untergebracht. Selbst in der Hierarchie des Vatikans und im engsten Mitarbeiterkreis des Papstes haben seine Mitglieder das Sagen.

Opus Dei war zusammen mit dem deutschen Episkopat maßgeblich daran beteiligt, Ratzinger auf den Papstthron zu hieven. Zum Dank brachte Benedikt weitere hohe Gotteswerker in leitenden Funktionen der Kurie unter. Mit ihm als Pontifex konnte die mit eiserner Disziplin geführte Organisation ihre Position als elitäres Führungszentrum des Vatikans weiter ausbauen. Die Mitgliederzahl des Opus Dei, über die keine offiziellen Angaben vorliegen, wird heute in 90 Ländern auf mehr als 80.000, darunter 1.500 Priester, geschätzt.

Die Aufzählung der von Ratzinger stets, so auch während seines Deutschlandbesuchs, beschwiegenen Verbrechen ließe sich noch seitenweise fortsetzen. So leitete er als Chef der Glaubenskongregation das Verfahren zur Seligsprechung Balaguers 1992 durch Papst Wojtyla; in einem Eilverfahren wurde der Klerikalfaschist dann bereits zehn Jahre später heiliggesprochen. Hinzu kamen posthume Rehabilitierungen weiterer faschistischer und Kriegsverbrecher. Dazu zählte 2004 die von Ratzinger aktiv betriebene Seligsprechung des letzten Kaisers der Habsburger Dynastie, des österreichisch-ungarischen Monarchen Karl I. Wegen dessen Verantwortung für den Giftgaseinsatz 1917 an der Front gegen Italien rief das Verfahren nicht nur in Rom, sondern auch in Wien heftige Proteste hervor. 2007 sprach der Ratzingerpapst mit einem Schlag 498 sogenannte Kreuzritter Francos selig, katholische Geistliche, die sich an dessen Völkermord beteiligten und dabei ums Leben kamen. Es war ein besonders offenes Bekenntnis des deutschen Pontifex zur verbrecherischen Tradition des Bündnisses der Kurie mit dem Faschismus.


Pius XII. der Nächste

Papst Pius XII, der als Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli das Reichskonkordat mit Hitler betrieb, in dem die Kurie die deutschen Katholiken aufrief, sich hinter dessen Regierung zu stellen, der Franco zum Völkermord an den Anhängern der Spanischen Republik beglückwünschte und später dem Holocaust tatenlos zusah, will Benedikt demnächst selig sprechen. Nicht zu vergessen dass Ratzinger in den 24 Jahren seiner Herrschaft als Großinquisitor (Glaubenspräfekt) 150 Theologen, die seinen rechtsradikalen Auffassungen widersprachen, verurteilte und eine viel größere Zahl maßregelte, darunter hohe Würdenträger der Befreiungstheologie in Südamerika.


Eine "persönliche Freundschaft"

Josef Ratzinger hat sich immer wieder öffentlich zu dem klerikalfaschistischen Gotteswerk bekannt und sich "durch persönliche Freundschaft" mit ihm verbunden gefühlt. Zur besonderen Hervorhebung seiner Beziehungen mit Balaguer ließ er bereits drei Monate nach seinem Amtsantritt als Papst am Petersdom in Rom eine fünf Meter hohe Marmorskulptur des Opus Dei-Gründers anbringen, die er bei der Einweihung persönlich segnete. Der Klerikalfaschist gehört damit zu den 150 Heiligen, deren Konterfeis die Außenwand des Petersdomes zieren. Damit nicht genug, ließ er zur Würdigung des Freundes Hitlers und Francos zwei päpstliche Wappen am Sockel Balaguers anbringen, das seines Vorgängers Wojtyla und sein eigenes.

Das Gotteswerk erwies sich stets dankbar. Bereits 1998 erhielt Ratzinger den Doktor honoris causa der führenden Opus Dei-Universität von Pamplona und wurde Mitglied ihres Lehrkörpers. Er drückte seine "große Ehre und Freude" darüber aus. Ratzinger stellte sich auch hinter Balaguers programmatische Schrift "El Camino" (Der Weg), die von menschenfeindlicher Ausrichtung auf Unterwürfigkeit nur so trieft, wenn sie von den Gläubigen fordert: "Demütige Dich. Weißt Du nicht, dass Du ein Eimer für Abfälle bist. Du bist schmutziger, herabgefallener Staub. Wenn Deine Demut dich dahin bringt, dich als Unrat, als einen Haufen Unrat zu erkennen, können wir aus all dieser Erbärmlichkeit noch etwas Großes machen. Und aus der Schweineherde wollen wir die herausholen, die nicht mehr unrein sein wollen".

Dieser Geist wird über dem Knabengymnasium in Brandenburg schweben, wenn das Bildungsministerium nicht von seinen immer noch gegebenen Möglichkeiten, diesen mittelalterlichen Spuk zu verbieten, Gebrauch macht.


Von Gerhard Feldbauer erschien: Der Heilige Vater. Benedikt XVI. - Ein Papst und seine Tradition, PapyRossa Verlag, Köln 2010


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Quelle:
© 2011 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2011