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SAMMLER/040: Tintin-Original von Hergé erzielt Rekordpreis (SWH)


Szene WHatcher - Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für triviales Entertainment seit 1995 · No. 265 vom 12. April 2008


Hergé-Original erzielt Rekordergebnis



Wenn überhaupt, dann tauchen sie nur sehr, sehr selten auf, Originalzeichnungen von des Meisters Hand, dem legendären belgischen Künstler Georges Rémi alias Hergé (22. Mai 1907 - 3. März 1983), der mit der Comic-Figur Tintin (Tim) Weltruhm erlangte. Nur wenige Zeichnungen von Hergé haben je sein Studio verlassen, zumeist als Geschenk an Freunde oder aber weil ihm der Stil der Arbeiten nicht mehr zeitgemäss erschien. Das Gros seiner Werke befindet sich heute im Besitz der Fondation Hergé, und das ist gemessen an den aktuellen Wertfindungen ein Vermögen wert.

Am 29. März 2008 kam im Rahmen einer Comic-Versteigerung bei dem Pariser Auktionshaus Artcurial u. a. auch ein Hergé-Original aus dem Jahre 1932 unter den Hammer, das schon im Vorfeld der Auktion Aufsehen erregte und auf sagenhafte 280.000 geschätzt wurde. Anders als auf früheren Versteigerungen, als vielgelobte Objekte wie Originalseiten von Uderzo und Franquin (Asterix und Gaston im Dezember 2003) keine Käufer fanden, fiel heuer bei der Position 376, Tim und Struppi (Tim in Amerika/ Tintin en Amérique), einer 32 x 32 cm grossen Gouache, erst bei einem Endpreis von 764.218 Euro (!!) endgültig der Hammer.

Im November 1996 gab es aus heutiger Sicht Hergé-Originale noch zum Schnäppchenpreis, als auf einer Auktion in Paris ein unbetiteltes Blatt für fast DM 50.000 (Franc 165.000) und eine Zeichnung aus Die Juwelen der Sängerin (Les bijoux de la Castafiore) für über DM 30.000 (40.000 Franc) den Besitzer wechselte. Rund sieben Jahre später wurde im Katalog der Galerie Laqua (www.galerielaqua.de) ein Set aus pencil layout und final inking der Seite 50, aus wohl einem der bedeutendsten Werke Hergés, Tim in Tibet (Tintin au Tibet), bereits für 75.000 Euro angeboten.

Die Arbeiten Hergés fallen auf dem internationalen Comic-Originale-Sammlermarkt zwangsläufig völlig aus dem Rahmen, denn einerseits ist das Angebot mehr als spärlich, ein Mangel, der allein schon für eine krasse, unkontrollierte Preisentwicklung verantwortlich ist, zum anderen erfreut sich der Comic-Charakter Tim einer seit Jahrzehnten ungebremsten Beliebtheit und eines nicht nur europaweit exorbitanten Kultstatuses. Nicht zuletzt das aktuelle Gesamtergebnis der Auktion vom 29. März - insgesamt 3.440.333 Euro - hebt das Comic-Original in Regionen, die selbst den franko-belgischen Raum, wo der Comic als absolutes Kulturgut betrachtet wird, in Staunen versetzen. Hatte der Auktionator noch im Vorfeld im Katalog vorsichtig Vergleiche zwischen Hergé und namhaften Meistern der Moderne gezogen, so haben jetzt nicht nur die Arbeiten von Hergé den Anschluss an das Preisniveau der internationalen Kunst-Szene geschafft, auch Arbeiten von Hugo Pratt (u. a. Lot 517, Corto Maltese, 300.830 Euro) und Enki Bilal (u. a. Lot 173, La Tetralogie Du Monstre/Der Schlaf des Monsters, 174.481 Euro) setzten neue Zeichen. Während sich der Hype auf dem internationalen Kunstmarkt, wohl nicht zuletzt auf Grund des gewaltigen Angebots, etwas zu beruhigen scheint, ist heuer auf dem Comic-Original-Markt offenbar eine neue Runde eingeläutet worden. Dass Comic-Unikate schon immer eine starke Faszination auf alle Schichten der Gesellschaft ausgeübt haben, ist nichts Neues, allerdings dürften ausgesuchte Blätter von namhaften Comic-Schaffenden zukünftig in einer anderen Liga spielen. Vielleicht hat der internationale Kunstbetrieb auch endlich erkannt, dass die Motive Roy Lichtensteins nicht seiner Genialität entstammten, sondern der Hefterl-Szene.


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Quelle:
Szene WHatcher - Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für
triviales Entertainment seit 1995 , No. 265 vom 12. April 2008
Herausgeber: Joachim Heinkow
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2008