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NEUERSCHEINUNG/542: 01/07 · Simpsons Comics (123)


James W. Bates, John Delaney


Simpsons Comics (123)

"Homer hält den Ball flach"



Bis später, Marge. Ich sehe mir bei Moe die Endausscheidung der Miss-Duff-Bikini-Wahl an.

Das glaube ich nicht, Homer. Du hast versprochen, heute Zeit mit Bart zu verbringen.

Neiin!!

... so nimmt eine Vater/Sohn-Geschichte ihren Anfang, die Homer und Bart ins Baseballstadion führt und von dort weiter zu einer grandiosen Odyssee auf der Jagd nach einem rekordverdächtigen Home-Run-Baseball. Da man auch als Nicht-Amerikaner heutzutage "dank" der allgegenwärtigen Ausrichtung unserer Medien in Richtung USA weiß, daß Baseball dort ungeheuer beliebt ist und fast eine noch eine größere Bedeutung hat als Fußball hierzulande, fällt es nicht schwer, sich den Kult, der um Erinnerungsstücke aus wichtigen Spielen gemacht wird, vorzustellen.

Nachdem der besagte Ball in Homers Nachos gelandet ist, will dieser ihn zunächst gar nicht haben. Er ärgert sich vielmehr über das Objekt, das ihm seinen Eßgenuß so gründlich verdorben hat. Geistesgegenwärtig nutzt Bart seine Chance und greift zu. Erst danach wird Homer klar, daß er gerade ein Vermögen aus der Hand gegeben hat und will den Ball zurück. Das nun folgende Gerangel zwischen Vater und Sohn wird von diversen Kameras eingefangen und live übertragen, vom Kommentator aber als Freude und innigliche Umarmung gedeutet. Alle jubeln Homer und Bart zu und sind derart gerührt, daß der berühmte Danny Dings, der Spieler, der den grandiosen Home-Run geschlagen hat, darüber vollkommen ins Hintertreffen gerät.

Vorübergehend werden Bart und sein Dad zu Stars, weil jeder verrückt danach ist, den Ball einmal zu berühren oder zumindest in seiner Nähe zu sein. Später treten die beiden allerdings so großspurig auf, daß sie sich die Gunst der Massen alsbald wieder verscherzen. Als Danny Dings dann auch noch in einem rührenden Appell den Ball zurückfordert, stellt sich die Menge hinter ihn ...

Letztlich ist es eine Möwe, die dafür sorgt, daß der Ball zu seinem rechtmäßigen Eigentümer gelangt. Wie es schließlich dazu kommt, kann man in Simpsons Comics #123 nachlesen. Zusätzlich zu den üblichen redaktionellen Rubriken enthält das Heft außerdem noch ein Interview mit der neuen Synchronsprecherin von Marge, Anke Engelke.


*


Daß in den Simpsons Comics der Ball ganz und gar nicht flach gehalten wird, sondern vielmehr die zeichnerischen Möglichkeiten der Comic-Gestaltung in ihrer ganzen Bandbreite zur Anwendung kommen, wollen wir am Titelbild von Ausgabe #123 einmal beispielhaft veranschaulichen:

In einem Comic-Panel kann der Zeichner mehrere Ereignisse, die eigentlich nacheinander stattfinden, zugleich unterbringen. Der Leser hat dadurch die Möglichkeit, das Bild auf verschiedene Weisen zu "erleben", so wie einen kleinen Film. So sieht man auf dem Titelbild nicht nur, wie Homer Simpson einen Baseball an den Kopf geschlagen bekommt (was, wie der Leser seinem Gesichtsausdruck und der durch entsprechende Bewegungslinien sowie einem zeichnerisch in Szene gesetzten "Aufprall" erkennen kann, für diesen ausgesprochen schmerzvoll ist), sondern zugleich auch, woher der Ball kommt (natürlich ist mal wieder Bart der Übeltäter). In diesem Bild sind also zwei Zeitebenen enthalten, Gegenwart und Vergangenheit, die der Leser mühelos zu integrieren in der Lage ist. Er sieht den Verursacher des Unfalls - wir wollen mal davon ausgehen, daß es ein solcher ist, denn auch darüber kann er sich Gedanken machen - gleichzeitig kann er Homers Schmerz mitfühlen, ist also emotional unmittelbar am Geschehen beteiligt. Als "Voyeur", der der Leser nunmal ist, kann er, je nach Gefühlslage und Persönlichkeit, beim Anblick des Bildes Mitleid oder Schadenfreude empfinden. Auch ein vom Zeichenstil vermeintlich "simples" Bild kann also viel an Inhalt vermitteln und vermag beim Leser Gedankenketten und Emotionen auszulösen.

20. Februar 2007


Simpsons Comics (123) "Homer hält den Ball flach"
James W. Bates (Geschichte), John Delaney (Zeichnungen),
Panini, Stuttgart, Januar 2007
44 Seiten, Heft, 2,50 Euro