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FESTIVAL/102: Erlangen 2008 - Muskelschwäche bei den Superhelden? (SWH)


Szene WHatcher - Das Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für triviales Entertainment seit 1995, No. 268 vom 10. Juni 2008

Internationaler Comic Salon Erlangen 2008

Muskelschwäche bei den Superhelden?


Das US-amerikanische Superheldentum hat es momentan schwer in Deutschland, denn der Comic-Leser orientiert sich offenbar eher an Produkten aus Fernost als an Klassikern von jenseits des Atlantiks. Batman und Superman befinden sich in einem Formtief, was sich heuer auf dem Erlanger Comic Salon mehr als deutlich abzeichnete. Hatten die kostümierten Kraftprotze vor Jahren die Szene noch klar im Griff, was man am Gesamtbild des Salons und dem Output der Verlage ausmachen konnte, so musste man diesmal einen Abschwung des Superheldentums feststellen.

Die heutige Schnelllebigkeit mag dazu beitragen, dass Interessen schneller versiegen und Trends kürzer andauern als man es aus der Vergangenheit gewohnt ist. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass sich bei diesem Genre eine gewisse Ermüdung eingestellt hat, was den Comic-Sektor zu beeinflussen scheint, nicht aber den Reiz an den Charakteren, der durch die vielen Comic-Verfilmungen der letzten Zeit eher geschürt wird. Wie wäre es sonst zu erklären, dass immer mehr junge Leute - dem Trend in den USA folgend - in Superhelden-Kostümen den Salon besuchen und ihre Freude am Comic lieber im Outfit ihrer Helden demonstrieren als im konsumieren von Printmedien.

Überhaupt hat sich eine deutliche Wandlung in der Altersstruktur der Besucher vollzogen. Das jüngere Publikum ist zunehmend in der Überzahl, wenn man sich die Warteschlangen betrachtet und auf der Messe umschaut. Unter diesen Umständen ist es eher unwahrscheinlich, dass die Top-Seller von gestern auch noch heute von grösserem Interesse sind. Die Jugend unterliegt anderen medialen Einflüssen als die ältere Generation und sehnt sich nach Neuem und Unverbrauchtem, ein Anspruch, den viele althergebrachte Comic-Welten bei weitem nicht mehr erfüllen. Die nachrückende Generation liest anders und vor allem anderes als die alte Garde. Und wenn man schon explizit bei der Max und Moritz-Preisverleihung auf den Geschmack der jungen Leser Rücksicht nehmen will, dann sollte man sie auch ernst nehmen und anstatt einer Veteranen-Jury eine Jugend-Jury entscheiden lassen.


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Quelle:
Szene WHatcher - Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für
triviales Entertainment seit 1995, No. 268 vom 10. Juni 2008
Herausgeber: Joachim Heinkow
Luisenstrasse 32, 12209 Berlin-Lichterfelde
Tel.: 030-768 051 22, 0171-681 74 11
eMail: heinkow@gmx.de
Internet: http://www.szene-wHatcher.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2008