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ANTIQUARIAT/049: "Elfenwelt" von Wendy und Richard Pini (SB)


Wendy und Richard Pini


Abenteuer in der Elfenwelt



"Elfquest", wie die Serie im amerikanischen Original heißt, wurde in den 70er Jahren in den USA zu einem der außergewöhnlichsten Erfolge, um so mehr, als es sich um ein von den Autoren in Eigenregie verlegtes Produkt handelte. Die Saga um die Suche des liebenswerten Elfenvolks der Wolfsreiter nach ihrer wahren Herkunft wurde von ihren Fans heiß und innig geliebt und war nicht nur in Amerika überaus erfolgreich. Mit den Jahren entwickelte sich auch über die Entstehung der Elfenwelt-Erzählungen eine Erfolgsgeschichte, die ebenfalls schon beinahe Legendencharakter hat. Man könnte sie etwa so beginnen lassen:

Es war Anfang des Jahres 1969, als ein junger Astronomie-Student namens Richard Pini auf den Leserbriefseiten einer Ausgabe des "Silver Surfer" die Zuschrift einer jungen Frau namens Wendy Fletcher las. Er war von ihren Ausführungen so angetan, daß er Kontakt zu ihr aufnahm. Wendy, 1951 im kalifornischen Gilroy geboren, besuchte zu jener Zeit das College. In ihrer Freizeit fertigte sie Illustrationen für diverse Fanzines an und arbeitete an einer Trickfilm-Version von Michael Moorcocks "Stormbringer", die sie für ihre Diplomarbeit verwenden wollte.

Aus dem regen Briefkontakt entspannen sich Freundschaft und Zuneigung; 1972 heirateten die beiden und ließen sich in einer Waldsiedlung am Rand von Poughkeepsie, New York nieder, wo Richard Pini damals noch als Systemprogrammierer für IBM arbeitete, die dort den Sitz ihrer Zentrale hat.

Bis die Wolfsreiter Gestalt annahmen, vergingen allerdings noch einige Jahre. Zunächst standen andere Projekte an; so erarbeiteten die Pinis z.B. ein Konzept für eine Comic-Serie, die sich an Ralph Bakshis Zeichentrickfilm "Wizards" anlehnte. Für die eher groben Charaktere des Vorbilds konnte Wendy sich allerdings niemals so recht erwärmen. Ihr schwebte etwas anderes vor, das sich unter anderem an japanischen Comics orientierte und insgesamt ein runderes und stimmigeres Bild bieten sollte. Daraus entwickelte sich im Laufe der Zeit die Idee einer völlig eigenständigen Fantasy-Welt des Elfenvolks, die im Laufe der Zeit in unzähligen Entwürfen, Scribbles und Charakterstudien weiter konkretisiert wurde.

Nachdem das Konzept stand, stellten Wendy und Richard eine Präsentationsmappe zusammen, die sie an verschiedene Comic-Verlage schickten. Die Reaktionen waren einhellig: Kein Interesse. Eine Fantasy-Serie dieser Art sei nicht kommerziell genug, meinten die Verantwortlichen.

Nach einiger Zeit traf dann doch noch eine Zusage ein. Der kleine Verlag Power Comics (der sich zwischenzeitlich in IPS - Independent Publishers Syndicate - umbenannte), druckte die erste Folge von "Elfquest" im März 1978 in dem gerade gestarteten Magazin "Fantasy Quarterly" ab. Sehr zur Enttäuschung der Pinis aber nur in Schwarzweiß, obwohl sie eine feste Zusage für einen Farbdruck erhalten hatten. Die Qualität der farbig angelegten Bilder litt dadurch erheblich.

Als IPS kurze Zeit später aufgeben mußte, entschlossen die Pinis sich dazu, ihre Serie selbst zu verlegen, zumal sie trotz der schlechten Druckqualität einige ausgesprochen positive Reaktionen aus dem Leserkreis des "Fantasy Quarterly" erhalten hatten. Dem kam noch zupaß, daß sich inzwischen zwei große Vertriebe bereit erklärt hatten, "Elfquest" in ihr Programm aufzunehmen. Zu diesem Zweck bauten sie ihre bereits bestehende Firma WaRP Graphics (Wendy and Richard Pini Graphics) zum Verlag um. Die erste Folge der nun aus Kostengründen auf Schwarzweiß-Druck angelegten Heftserie wurde in einer Auflage von 10.000 Exemplaren hergestellt - und war binnen kurzem ausverkauft. Die Nummer acht konnte bereits mit 32.000 Exemplaren aufwarten und das letzte Heft - Nummer 20 - erschien sogar mit 100.000 Exemplaren.

Abgesehen von der anrührenden Geschichte, die die Sehnsucht vieler nach einer besseren Welt traf, trug auch die ansprechende Aufmachung der Produkte von WaRP Graphics mit Sicherheit einen großen Teil zu dem überragenden Erfolg von "Elfquest" bei. Insbesondere die malerisch umgesetzten Heftumschläge der Originalausgabe, die sich vom Gros des sich in flächiger Farbigkeit präsentierenden Comic-Angebots abhoben, dürften so manchen dazu verlockt haben, ein Heft zu kaufen.

Um die Wolfsreiter herum entstanden weitere Projekte, eine "Elfquest"-Roman-Trilogie, Merchandising-Produkte wie T-Shirts oder Posterbücher und mehrere, von anderen Zeichnern und Autoren verlegte Serien, die verschiedene Abschnitte aus der Geschichte des Elfenvolkes behandeln. So werden beispielsweise in der Serie "Hidden Years" die Erlebnisse einzelner Elfen erzählt und die Reihe "Blood of Ten Chiefs" hat jene Anführer, die vor Schnitter Clanchefs der Wolfsreiter waren, zum Thema. Auch ein "Elfquest"-Zeichentrickfilm ist in Vorbereitung.

Längst haben die Wolfsreiter ihren Siegeszug über die Grenzen Amerikas hinaus ausgedehnt und unter anderem in Frankreich, Dänemark, den Niederlanden und natürlich auch im deutschsprachigen Raum eine beachtliche Fangemeinde. Bei uns wurden die Elfen durch eine zwischen 1984 und 1992 vom Bastei-Verlag für den Kiosk-Vertrieb produzierten Reihe sehr populär.

Die zwischen 1997 und 2000 im Carlsen Verlag erschienene Ausgabe der "Elfenwelt" wurde im Unterschied zu der Bastei-Serie in einer neuen und mehr am Original orientierten Übersetzung angefertigt. Auch das Handlettering entspricht mehr dem Charakter des Vorbilds. Außerdem erschienen in dieser Edition einige zusätzliche Seiten, die von Wendy Pini für die amerikanische Buchausgabe von "Elfquest" eigens neu gezeichnet wurden, in der Bastei-Ausgabe jedoch nicht mit abgedruckt wurden. Diese neuen Seiten unterscheiden sich in der Kolorierung: sie ist wesentlich flächiger und plakativer angelegt als die früheren, besonders detailreich und stimmungsvoll kolorierten Zeichnungen - der gestalterische "Fortschritt" scheint leider auch vor der Welt der Elfen nicht haltgemacht zu haben.

Ein besonderes Lob verdienen die redaktionellen Beiträge, die in lockerer Folge erscheinen und interessante Hintergrundberichte zu den Autoren und ihrer Serie präsentieren. Außerdem findet sich eine "Galerie der Elfen". Sie entstand aus den Rückseiten der Hefte der Originalausgabe, auf denen nach und nach gemalte Porträts aller wichtigen Hauptfiguren erschienen und die von den Lesern heißbegehrt waren. Da in der Neuausgabe des Carlsen Verlages immer jeweils zwei Hefte zu einem Album zusammengefaßt wurden, so daß man die "Galerie" nicht vollständig auf den Rückseiten abbilden konnte, entschied man sich für diese Lösung.

Zur Geschichte der Elfen

Die Hohen, ein Volk unsterblicher Wesen, die über die Fähigkeit verfügten, jede gewünschte Gestalt anzunehmen und ihre Umwelt nach ihren Vorstellungen zu formen, verließen ihren Heimatplaneten, um nach neuen Lebensräumen zu suchen. Auf ihrer Suche entdeckten sie eines Tages auch die Welt der zwei Monde, die sich zu jener Zeit in einem mittelalterlichen Entwicklungsstadium befand. Ihre Bewohner verehrten in Märchen und Legenden unsterbliche, grazile Geschöpfe, die sie als Elfen bezeichneten. War dies ein Hinweis darauf, daß früher schon einmal ein Raumschiff der Hohen hier gelandet war? Die Raumfahrer beschlossen, diese Welt eingehender zu erforschen und nahmen die Gestalt von Elfen an. Auch ihr Raumschiff paßten sie seiner zukünftigen Umgebung an und gaben ihm die Form eines Palastes. Da die Hohen jedoch spürten, daß ihre magischen Fähigkeiten durch die Bedingungen, die auf diesem Planeten herrschten, geschwächt wurden, beschlossen sie, daß ihr Aufenthalt nur von kurzer Dauer sein sollte.

Bei der Landung ereignete sich jedoch ein folgenschweres Unglück, das von den Trollen ausgelöst wurde, einer primitiven Lebensform, die den Hohen auf ihrem Heimatplaneten als Hilfsvolk gedient hatte. Diejenigen Trolle jedoch, die die Hohen auf ihrer Sternenreise begleiteten, hatten sich verändert, sie waren intelligenter geworden, hatten sprechen gelernt und einen eigenen Willen entwickelt. Da sie selbst diese neue Welt bevölkern wollten, lehnten sie sich gegen ihre Herren auf, als das Raumschiff gerade zur Landung ansetzte, und lösten damit eine Katastrophe aus. Das Raumschiff geriet außer Kontrolle und wurde durch die Zeit geschleudert. Der Palast landete zwar, wie geplant, auf der Welt der zwei Monde, doch in einer wesentlich früheren Epoche, in der die Menschen noch keinen Elfenmythos entwickelt hatten und einem kriegerischen Gott namens Gotara huldigten. Die Besucher von den Sternen erschienen ihnen als dämonische Eindringlinge in ihre Jagdgebiete. Und so nahm der viele Generationen währende Krieg zwischen Menschen und Elfen seinen Ausgang ...

13. September 2007


Abenteuer in der Elfenwelt
Wendy und Richard Pini
Carlsen Verlag, Hamburg, 1997-2000
20 Bände, Softcover, farbig, jeweils 64 Seiten