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ANTIQUARIAT/007: "Land der Schatten" von C. Gibelin und B. Springer


Christophe Gibelin und Benoît Springer


Land der Schatten (1)

"Die Augen aus Stein"



Die beiden jungen französischen Künstler Christophe Gibelin und Benoît Springer legen mit dem Einstieg in ihre erste gemeinsam realisierte Comicserie "Land der Schatten" ein ebenso atemberaubendes wie begeisterndes Epos aus dem Genre der heroic fantasy vor.

... kündigte 1996 das Kundenmagazin "Tock Tock" des Ehapa Verlages die Neuerscheinung an. Und man hat wahrlich nicht übertrieben. Liebhaber dieses Genres finden bereits in dem ersten Album dieser Serie alles, was das Herz begehrt und dazu in einer Machart, die man nicht anders als perfekt nennen kann. Hier stimmt jedes Detail, von der Erzähltechnik über die zeichnerische Gestaltung bis hin zur stimmungsvollen Kolorierung. Wenn man nicht extra darauf hingewiesen hätte, wäre der Leser wohl kaum darauf gekommen, daß es sich bei den beiden jungen Franzosen um Newcomer handelte, so gekonnt und - sowohl erzählerisch als auch zeichnerisch - alle Stilmittel dieses Genres ausschöpfend stellt sich "Die Augen aus Stein" dem Leser dar. Nehmen wir also heute einmal dieses Album aus der Auslage unseres Antiquariats und schlagen es auf:

Düster beginnt die Geschichte in einem abgelegenen Sumpfgebiet. Gerade haben der Wegelagerer Miecq Luzzi und sein Diener Lida, eine monströse froschartige Gestalt, einen der wenigen Wagen mit Reisenden überfallen, die sich noch in diese unheimliche Gegend wagen. Seit der Kaiser von Suy Tramhal König Zynski den Krieg erklärt hat, durchqueren nur noch Truppen, die an die Front ziehen, die Sümpfe. Auch diese Männer entpuppten sich als Soldaten, denn außer einigen merkwürdigen Brillen, deren Sinn und Zweck Miecq unklar bleibt, führten sie in ihrem ansonsten spärlichen Gepäck Uniformen des Feindes mit sich - offensichtlich wollten sie zu Zynski überlaufen.

Miecq beschließt, daß sie ihr Auskommen fortan besser in den finsteren Gassen der Stadt Hauptstadt Suy Tramhal suchen sollten. Zunächst gilt es jedoch, Einlaß in die mächtige Stadt zu bekommen. Da die Zöllner die absonderlichen Brillen als Wegzoll nicht akzeptieren, ist guter Rat teuer. Als Lida bei einem Handgemenge in den Wassergraben gestoßen wird, entdeckt er durch Zufall einen Weg. Durch ein Pumpensystem, das die Fahrstühle der Stadt in Betrieb hält, können die beiden in die Stadt gelangen.

Hier wird der Halunke Miecq mit einer weit größeren Bedrohung konfrontiert, als jemals in den Sümpfen auf ihn lauerte. Denn in Suy Tramhal hat sich die Hexe Abishag eingenistet, mit dem Ziel, die Hauptstadt zu stürzen. König Zynski, mit dem sie sich verbündete, ist ihr dabei ein willkommener Gehilfe. Die Brillen, die eigentlich für König Zynskis Leute bestimmt waren und die durch Zufall in Miecqs Hände gelangten, spielen in dem Geschehen eine wichtige Rolle. Mit ihrer Hilfe können, soviel erfährt der Leser vorerst, die Zauberkräfte der Hexe für Menschen sichtbar gemacht werden.

Das Unheil nimmt seinen Lauf: Mit ihren magischen Kräften erweckt Abishag Nacht für Nacht riesige steinerne Kolosse zum Leben, die sich immer weiter der Stadt nähern. Dichtauf folgen ihnen des Königs Truppen.

Welche Rolle werden Miecq, der sich über die Funktion der Brillen noch nicht im klaren ist und Lida, der anscheinend die Fähigkeit hat, das Zauberwerk der Hexe mit bloßen Augen zu erkennen, im weiteren Geschehen spielen? Diese spannende Frage bleibt für uns offen...

Als Ergänzung der kleinen Einstimmung auf "Land der Schatten" seien schließlich die beiden Autoren selbst zu ihrem Werk zitiert:

Texter Christophe Gibelin:

Es stimmt, eigentlich war ich gar kein Anhänger der heroic fantasy. Die Figur der Hexe Abishag ist es, die in Reinform diesen erzählerischen Ansatz verkörpert, wohingegen Lida, vordergründig mit allen Insignien eines Monsters ausgestattet, letztendlich den am wenigsten inhumanen Charakter darstellt. Er ist es auch, der in seinen an altägyptische Sprachkartuschen erinnernden, gezeichneten Kommentaren ein pointiertes, humoristisch-satirisches Element in die Handlung einbringt. Und die Gestaltung der Stimme aus dem off, die sich an die Handlungsträger wendet, ist gleichzeitig auch eine Hommage an jenen italienischen Comicautoren, der dieses Element wie kein anderer beherrschte: der 1990 verstorbene Attilio Micheluzzi, der schließlich auch meiner Hauptfigur als eine Art geistiger Pate seinen Namen gab...

Zeichner Benoît Springer:

Was mich an diesem Genre immer gelangweilt hat, ist die immer wiederkehrende Stereotypie, daß die Bösen über ein ganzes Album hinweg stets immer nur Böses vollbringen. Ist für mich einfach unglaubwürdig! Auch in unserer Geschichte gibt es ausschließlich Böse, aber sie sind auf glaubwürdige Weise expressiv: ich möchte sie in meinen Zeichnungen so lebendig gestalten, daß der Leser viel mehr auf das feine Beziehungsgeflecht der Protagonisten orientiert wird... (Aus: "Tock Tock", Kundenmagazin des Ehapa Verlages, Herbst '96)


Christophe Gibelin und Benoît Springer
Land der Schatten (1)
"Die Augen aus Stein"
Ehapa Comic Collection, 1996
48 Seiten, DM 19,80